Meinung: Friedlich getrottet
Nach dem 1. Mai: Die Null-Toleranz-Politik sollte auch für den Rest des Jahres gelten
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Sie wollten Krawall, das verriet schon die Kostümierung. Hunderte Autonome, viele vermummt, setzten sich am 1. Mai an die Spitze der „Revolutionären Demonstration“ und bildeten, wie seit Jahrzehnten üblich, einen schwarzen Block. Doch das absehbare Ritual – erst ein paar Steinwürfe, um die Polizei zu harten Attacken zu provozieren, dann der große Krawall – endete schon in der Frühphase. Die „Revolutionäre“ wurden gestoppt, Berlin blieb am 1. Mai, wie auch in der Walpurgisnacht, stundenlange Randale erspart. 25 Jahre nach den ersten heftigen Ausschreitungen an einem Maifeiertag ist offenbar das Schlimmste überstanden. Berlin, so scheint es, kann aufatmen.
Frank Henkel, erst seit fünf Monaten Innensenator, hat seine erste größere Bewährungsprobe gemeistert. Die massiven Einsätze der Polizei tragen seine Handschrift. Allerdings konnte Henkel auch auf die von seinem Vorgänger Ehrhart Körting für den 1. Mai entwickelte Polizeitaktik zurückgreifen. Und an der Seite des Senators steht die fähige Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers, die mit den gelungenen Einsätzen in der Walpurgisnacht und am 1. Mai dem Aufstieg zur Leiterin der Behörden näher gekommen sein dürfte.
Es ist nun zu hoffen, dass Berlin nicht ewig warten muss, bis die Entscheidung getroffen wird, wer Polizeipräsident oder Polizeipräsidentin wird. Koppers jedenfalls, die liberal auftritt und nun aber auch Härte im Umgang mit Autonomen gezeigt hat, scheint die Kandidatin zu sein, die am besten zu dieser Stadt passt.
Zu wünschen ist auch, dass Henkel und Koppers den Schwung des Erfolgs nutzen, um Berlin sicherer und sauberer und damit lebenswerter zu machen. Die Probleme sind hinreichend bekannt: Schlägereien und Pöbeleien auf U-Bahnhöfen, Müll und Schmierereien in Parkanlagen, rechtsextreme Angriffe auf Linke und alle anderen, die ins braune Feindbild passen, sowie linksextreme oder einfach nur neidvolle Attacken auf Autos und Wohnungen von Besserverdienenden, die für Gentrifizierung büßen sollen. Das sind nur einige Themen, die das Sicherheitsgefühl vieler Einwohner beeinträchtigen.
Eine Null-Toleranz-Politik, wie sie einst in New York der Bürgermeister Rudy Giuliani betrieb, wäre wohl auch in Teilen Berlins populär, und darüber hinaus. Wünschenswert wäre eine US-Kopie jedoch nicht, auch wenn Henkel vor Beginn seiner Amtszeit über Null-Toleranz laut nachgedacht hat. Sicherheitspolitik kommt nur voran mit einer Doppelstrategie: verstärkte Kommunikation von Politik und Polizei gerade auch mit Bewohnern von Kiezen, die als schwierig gelten – kombiniert mit der Entschlossenheit, Missstände abzustellen. Warum sollte es in Berlin nicht möglich sein, dass Grünanlagen so gepflegt aussehen wie der Hyde Park in London?
Noch ein Wort zu den Autonomen: Es gelang ihnen in der Walpurgisnacht und am 1. Mai wieder, die Demonstration anzuführen. Tausende trotteten dem schwarzen Block hinterher. Warum eigentlich? Brauchen emanzipierte Linke vermummte Vorturner?
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