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Meinung: Gequassel über den Wolken

Handys bringen Flugzeuge nicht zum Absturz

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Alexander S. Kekulé Die Benutzung von Mobiltelefonen kann gefährlich sein. Das bekam auch der Autor dieser Kolumne zu spüren, als er neulich telefonierend vom Shuttlebus zum Flieger marschierte: Eine Flughafenangestellte befahl, das gefährliche Ding sofort abzuschalten. Weil der Kolumnist nicht gleich reagierte, halfen zwei bärenstarke Kofferpacker mit handfesten Argumenten nach – der Absturz der Turboprop, die mit abgeschalteten Triebwerken schlummernd daneben stand, konnte gerade noch verhindert werden.

Auseinandersetzungen um Handys und Laptops gehören im Luftverkehr zur Tagesordnung. Wenn es in der Jackentasche oder im Handgepäck klingelt, sind böse Blicke der Mitpassagiere garantiert. Wer seinen Laptop vor Erlöschen der Anschnallzeichen aufklappt, wird zurechtgewiesen, als habe er versucht, ein Fenster zu öffnen. Ende Februar musste ein Ryanair-Flieger notlanden, weil ein Passagier sein Handy nicht ausmachen wollte. Als die Mitflieger auf ihn losgingen, hatte der angetrunkene Handybesitzer angeblich mit einer Bombe gedroht.

Welche elektronischen Geräte im Flugzeug wirklich gefährlich sind, ist unter Experten allerdings durchaus umstritten.

Bis vor kurzem war die Benutzung von CD-Spielern und Laptops mit CD-Laufwerken strengstens verboten, weil deren Minilaser angeblich die Navigation störten. Mobiltelefone mussten bis zum Verlassen des Flugzeuges abgeschaltet bleiben.

Die derzeit gültige „Luftfahrzeugelektronikbetriebsverordnung“ (LuftEBV) erlaubt nun die Benutzung von Mobiltelefonen und anderen Geräten mit Sendefunktion, „solange sich das Luftfahrzeug nicht aus eigener Kraft bewegt“. Laptops und Unterhaltungsgeräte ohne Sendefunktion müssen nur bei Start und Landung ausgeschaltet sein. Mit Knopfbatterien versorgte Geräte, wie Armbanduhren oder Taschenrechner, unterliegen gar keinen Beschränkungen – egal, ob sie senden können oder nicht. Die LuftEBV gilt jedoch nur für in Deutschland registrierte Flugzeuge. Jede Fluglinie hat deshalb ihre eigenen Regeln in Sachen gefährlicher Elektronikgeräte. Kein Wunder, dass die Passagiere verunsichert sind.

Bisher hat noch nie ein Handy oder ein anderes elektronisches Gerät eines Passagiers ein Flugzeug zum Abstürzen gebracht. Die zeitweise vermutete Beteiligung eines Handys am Crossair-Absturz bei Zürich im Januar 2000 wurde nicht bestätigt. Auch angebliche kleinere Störungen, wie das Auslösen eines Feueralarms oder die Beeinflussung eines Kursanzeigers, konnten nicht eindeutig auf Mobiltelefone zurückgeführt werden.

Zwar ist es theoretisch nicht auszuschließen, dass elektronische Geräte mit Sendefunktion die Bordelektronik stören. Das gilt insbesondere für Handys, die während des Flugs keine Basisstation finden und deshalb ständig auf voller Leistung senden. Doch sind heutige Verkehrsflugzeuge gründlich auf elektromagnetische Festigkeit geprüft. Das ist auch dringend nötig: Auf etwa 70 Prozent der Linienflüge fliegen eingeschaltete Mobiltelefone mit. Wenn davon wirklich eine Gefahr ausginge, müssten Passagiere längst auf betriebsbereite Handys gescannt werden. Oder die Flugzeuge hätten eine simulierte Basisstation an Bord, damit sich die Handys einloggen und ihre Sendeleistung auf ein Minimum reduzieren.

In Zukunft müssen die Flugbegleiter ohnehin ganz neue Ansagen üben: Ab April will die Fluggesellschaft Emirates die Benutzung von Mobiltelefonen im Reiseflug ermöglichen. Bordeigene Basisstationen übermitteln dann die Gespräche via Satellit zum Empfänger. Ähnliche Pilotprojekte sind bei Air France-KLM und Quantas geplant. Der Billigflieger Ryanair will sogar seine gesamte Flotte mit Basisstationen ausstatten. Der Markt für die fliegende Kommunikation wird auf zwei Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Mit der himmlischen Ruhe über den Wolken ist es dann wohl vorbei. Dabei würde es vollkommen ausreichen, nur die stumme Datenübermittlung per Internet und SMS zu ermöglichen. Vielstimmiges Dauergequassel auf engstem Raum kann bekanntlich auf den Magen schlagen und Aggressionen hervorrufen – in dem Fall wird das mobile Telefonieren erst richtig gefährlich.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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