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Meinung: Gespaltener Traum

Der Bundesstaat Jugoslawien ist endgültig zerfallen

Von Caroline Fetscher

Am 27. Februar eröffnet die jugoslawische Armee eine Auktion. Versteigert werden dann die Überreste des Fuhrparks von Josip Broz Tito, ehemaliger Staatschef Jugoslawiens. Ein Rolls Royce Phantom V, ein Mercedes 600 Cabrio, eine kugelsichere Mercedes-Limousine und mehrere BMW-Motorräder sind unter den Auktionsobjekten. Die Baujahre der Fahrzeuge sind 1960 bis 1980.

Es ist eine hoch symbolische Auktion: Sie fällt zeitlich mit dem Ende des Staates Jugoslawien zusammen. Drei Parlamente – die der beiden letzten Teilrepubliken Serbien und Montenegro, sowie das föderale Parlament Rumpf-Jugoslawiens – haben nun ihre Zustimmung gegeben, den Bundesstaat aufzulösen. Die letzte Konsequenz aus den Zerfallskriegen seit Beginn der neunziger Jahre ist damit gezogen. Das Staatengebilde, das 1929 als Königreich der Serben und Kroaten entstanden war und dessen sechs Republiken von Tito seit Ende des Zweiten Weltkrieges zusammengehalten worden waren, ist damit beerdigt. Wie die 250 000 Toten, die in den von Serbiens Vormachtwahn angezettelten Kriegen ihr Leben ließen.

Vollzogen war das Ende der Utopie des Dritten Weges gleichwohl schon, als die ersten Schüsse fielen, und der Rest Europas – mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und sich selbst beschäftigt – die Katastrophe zunächst nicht wahrhaben wollte. Die EU reagierte mit einem unkoordiniertem Krisenmanagement und wartete zu lange ab, bevor sie sich zum Eingreifen entschloss. Schon 1995 schrieb der serbische Autor Bora Cosic, der seit Beginn der Konflikte in Berlin lebt, von seiner „gewesenen Mutter Heimat, die in wilder Liebschaft mit einem Mörder lebt“. Der Mörder, Slobodan Milosevic, ist inzwischen Häftling des UN-Tribunals in Den Haag. Die Trümmer jedoch, die der falsche Erbe Titos hinterlassen hat, werden immer noch geräumt. Und bröckeln weiter.

Der Vertrag von Dayton hinterließ ein zwar befriedetes, doch wirtschaftlich ruiniertes und ethnisch gespaltenes Bosnien. Montenegro wird wohl in drei Jahren, so sieht es die neue Verfassung von „Serbien und Montenegro" vor, seine Unabhängigkeit per Referendum erreichen. Die UN-Resolution 1244 nach dem Kosovokrieg im Sommer 1999 sieht im Kosovo einen „Teil Jugoslawiens", was augenblicklich die Separatisten im Kosovo beflügelt: Mit dem Ende Jugoslawiens, erklären sie, sei auch ihre Unabhängigkeit von Serbien gekommen.

Michael Steiner, UN-Verwalter des Kosovo, will das noch nicht zulassen. Doch unter der Hand erklären nahezu alle Diplomaten und Berater einhellig, auch der letzte Schritt der Auflösung Jugoslawiens werde nicht aufzuhalten sein, er werde aber friedlich zu Stande kommen. Erst dann, erst wenn Kosovo und Montenegro ebenfalls frei von den Resten großserbischer Intention sind, ist die Gefahr einer Auferstehung des Belgrader Nationalismus gebannt.

Die „Jugo-Nostalgiker", die Adepten eines Dritten Weges zwischen Kapitalismus und Sozialismus, der zeitweise glücklich zu gelingen schien, fühlen sich in jedem Fall betrogen. Auch durch uns, die westlichen Nachbarn, die zu lange zugeschaut haben, wie Jugoslawien zerfiel. Bei allem Pragmatismus der Gegenwart – diese Bitterkeit bleibt.

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