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Meinung: Gleiches Recht für alle: Burnout ist geschlechtsneutral

„Frauen verwirklicht euch“ von Harald Martenstein vom 6. Februar Für den lustigen Herrn Martenstein noch einmal ganz langsam: 1.

„Frauen verwirklicht euch“ von

Harald Martenstein vom 6. Februar

Für den lustigen Herrn Martenstein noch einmal ganz langsam: 1. Frauen sind keine gesellschaftliche Minderheit. (Sie sind an ihnen wie in der Gesamtgesellschaft etwa zur Hälfte beteiligt.) 2. Männer bleiben offenbar lieber unter sich, als Frauen aufzunehmen in „ihre“ Kreise auf allen relevanten Ebenen der Gesellschaft. 3. Alles das, was die meisten Frauen besser können als die meisten Männer, kann sich deshalb in unsrer Gesellschaft zu wenig auswirken. 4. Um diesen Mangel zu beheben, müssen Frauen ermutigt werden, sich trotz widriger Bedingungen auf Führungspositionen zu bewerben, und die entsprechenden Männer müssen ermutigt, notfalls aber auch genötigt werden, sie da auch hin zulassen. Martenstein wählt die Überschrift „Frauen, verwirklicht euch!“ und vergisst hinzuzufügen „... und lasst auch weiterhin Männer die gesellschaftlich relevanten Entscheidungen treffen!"

Fro Tinnappel, Berlin-Zehlendorf

Wahre Worte! Hinzufügen könnte man, dass der sog. Feminismus immer mehr nach hinten losgeht. Frau kann und soll sich als Mann emanzipieren. Möglichst viel Macht und Geld = Selbstverwirklichung. Wer für Familie und Kinder arbeitet – zu Hause, ohne Lohntüte – wird reduziert auf „am Herd stehen“. Die Arbeit einer berufsmäßigen Köchin (mit Gehalt) würde niemand herabstufend als „am Herd stehen“ bezeichnen. Das Gleiche für die Familie zu tun (ohne Gehaltsabrechnung) gilt als minderwertig. Wer sich um Familienleben und Kinder kümmert, steht keineswegs nur am Herd, wird aber darauf reduziert. Die Medien helfen noch nach. Eine Ministerin, die sich Kekse backend mit ihren sieben Kindern fotografieren lässt, soll vermitteln, wie Frau Karriere und Familie unter einen Hut bringt. Genauso die vielen Schauspielerinnen, die sich mit Babybauch und ihren vielen Kindern präsentieren. Solche Bilder haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Und um die Kinder geht es bei alledem schon gar nicht.

Christiane Dresen, Berlin-Neukölln

Sie wundern sich darüber, Herr Martenstein, warum Frauen sich nicht durch Familienarbeit und in Ehrenämtern verwirklichen? Und darüber, dass sie stattdessen auch noch nach Führungspositionen in der Wirtschaft streben? Nun ja, Frauen wollen finanziell unabhängig sein, und das funktioniert besser durch Lohnarbeit. Außerdem finden viele Frauen es genauso geil, oben zu sein und viel Geld zu verdienen, wie die von Ihnen zitierten Männer. Diesen Ehrgeizigen rufen Sie zu: „Ach, Mädels, in den Vorstandsetagen geht es gar nicht so lustig zu, wie Ihr glaubt! Lasst lieber die Finger davon! Das wird doch sowieso nichts, das ist viel zu hart für Euch – dieser Druck und die vielen Arbeitsstunden! Wendet Euch lieber Eurer eigentlichen Bestimmung zu und lasst die Männer da oben mal machen!“ Wir konnten in den letzten Monaten beobachten, wie zahlreiche desillusionierte Männer aus ihren Spitzenpositionen ausgestiegen sind. Vielleicht werden manche Karrierefrauen das auch tun. Na und? Gleiches Recht für alle! Burnout ist geschlechtsneutral. Erstaunlicherweise stellen Frauen für Sie nur eine von vielen gesellschaftlichen Minderheiten dar, weswegen Sie die Forderung nach einer Quote bedenklich finden. Vielleicht hätten Sie vor dem Schreiben kurz nach dem Frauenanteil in der Bevölkerung googeln sollen. Ich habe den Verdacht, Sie sähen es gern, wenn Frauen den Arbeitsmarkt überhaupt wieder den Männern überließen. Wäre doch schön, wenn sie ihr Glück als treu sorgende Ehefrauen und Mütter fänden. Na ja, nicht ganz so schön sähe es für sie nach einer Scheidung oder nach dem Tod ihres Herrn und Gebieters aus. Aber auch dann könnten sie zufrieden leben, sie müssten nur Ihren Rat befolgen und die finanziellen Bedürfnisse zurückfahren. Damit wäre auch das Problem der hohen Arbeitslosigkeit vom Tisch. Vollbeschäftigung wäre wieder möglich, wenn Frauen den Männern nicht länger die Arbeitsplätze wegnähmen. Die armen Frauen, die für sich selbst sorgen müssen, dürfen ihr Geld gern in Sekretariaten, Pflege- und Putzjobs oder an der Supermarktkasse verdienen - nämlich das tun, was Männer sowieso nicht wollen. Wir drehen einfach die Zeit zurück! Und ja, Herr Martenstein, Sie sind in einer privilegierten Position: Unter der Marke „Martenstein“ lässt sich einfach alles verkaufen.Marion Dinse, Berlin-Schöneberg

Der Artikel eignet sich hervorragend zur Beweissicherung: Lange schon wurde nicht mehr die Aufzählung „Frauen, Behinderte, Migranten …" in solch peinlicher Weise genutzt. Das ist von vorgestern, wie auch der Glaube an die stöhnenden, gestressten männlichen Vorstandsmitglieder nach oder während ihrer 70-Stunden Woche, für die Herr Martenstein versteckt Verständnis äußert. Unberührt von Geschichtswissen scheint nicht nur Herr Sarrazin zu sein. Welchen Weg Frauen nehmen mussten, um sich als ganz normaler Teil menschlicher Gesellschaft zu zeigen, dürfte Herrn Martenstein bekannt sein. Glaubte ich jedenfalls bisher, wenn ich seine bissigen, flapsigen und dennoch humorvollen Glossen las. Offenbar sitzt die Meinung von der „natürlichen“ Männerherrschaft auch bei einem der „unentfremdetsten Berufstätigen“ so tief, dass eine die Gleichheit der Geschlechter fordernde Quote unausweichlich ist.

Marianne Suhr, Berlin-Charlottenburg

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