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Meinung: Grüner Parteitag: Effizienz mit Herz

Die Grünen in der Krise? An Auguren mangelt es nicht, die der Partei schwerste Zeiten voraussagen.

Von Matthias Meisner

Die Grünen in der Krise? An Auguren mangelt es nicht, die der Partei schwerste Zeiten voraussagen. Der Parteienforscher Joachim Raschke zum Beispiel glaubt, dass mit der Wahl von Claudia Roth zur Parteivorsitzenden die Rückkehr zur destruktiven Logik der Strömungen bevorsteht. Oder Antje Radcke: Die ehemalige Parteichefin und jetzige Hamburger Landesvorsitzende prophezeit Roth einen schweren Stand gegen Joschka Fischer; der sitze am längeren Hebel. Ganz zu schweigen von der früheren Bundesvorstandssprecherin Jutta Ditfurth, für die die Grünen nicht mehr die Grünen sind. Waren sie es je?

In einem besteht kein Zweifel: Die Grünen sind nicht mehr, was sie einmal waren. Der Parteitag in Stuttgart wird das klar demonstrieren, selbst wenn die Basis in der Debatte um die Castor-Transporte noch einmal aufbegehren sollte. Die Partei hat sich verändert, der Gründungsimpuls ist verloren gegangen. Der fröhliche, unbefangene Stil, mit dem die Partei vor gut 20 Jahren gestartet war, hat sich abgenutzt. Positiv gemünzt: Die Grünen sind professioneller, auch etablierter geworden. Das ist die eine Seite, für die Fritz Kuhn als Parteichef steht.

Aber spricht die Partei auch das Herz an, kann sie Politik für den Bauch machen? Das ist die andere Seite, für die Claudia Roth stehen soll. Allein deshalb kann sie auf dem Bundesparteitag mit einem glänzenden Wahlergebnis rechnen. Roth und Kuhn haben beste Chancen, ein gutes Duo zu bilden, und die Delegierten werden Vorschusslorbeeren verteilen. Von Reibungsverlusten geprägte Doppelspitzen sollen der grünen Vergangenheit angehören. Beide Spitzenleute wollen zeigen, dass sie für die Gesamtpartei stehen.

Doch Stuttgart wird auch demonstrieren, wie gut die Grünen inzwischen Konflikte verdrängen können. Es ist ja nicht so, dass die Fragen zur Zukunft der Grünen nicht auf dem Tisch liegen. Können sie überhaupt noch als Ökopartei gelten, sind ihre alten Werte wirklich modern? Kommen sie aus eingefahrenen und fruchtlos gewordenen Kontroversen heraus?

Sich selbst gut zureden, das können die Grünen, und deshalb werden sie auch die neue Verbraucherschutzministerin und scheidende Vorsitzende Renate Künast als Heilsbringerin feiern, die unerreichbar geglaubte Wählerschichten erschließen kann. Die Performance für den Tag wird gelingen, und das überdeckt, dass es bei den Schlüsselprojekten hapert - wie etwa der parteiinternen Diskussion über die Gentechnologie. Die Spitzenpolitiker kommen auch schnell ins Stocken, wenn es um die Frage geht, wie die Partei etwa den Osten oder die Jugend für sich gewinnen könnte.

Die Grünen in der Krise? Stuttgart ist nicht der Parteitag, der das demonstrieren wird. Dafür ist die Sehnsucht nach Harmonie in der einst so streitbaren Partei zu groß geworden. Doch sagt das schon etwas über den Erfolg aus? Eine Abrechnung folgt schon zwei Wochen später, bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Dann wird sich zeigen, wie viel Bestand die grünen Träume in der Realität, vor dem Thron des Wählers haben. Bei einem Stimmeneinbruch würde die hübsche neue Fassade rasch kräftige Risse bekommen.

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