Meinung: Im Märzen der Kanzler
REFORMDISKUSSION IN DER SPD
Die Erwartungen sind riesengroß, die der letzte Freitag in der SPD geweckt hat. Und sie sind vollkommen gegensätzlich. Die Linken erwarten von Müntefering, dass er die Beschlüsse des Bochumer Parteitags über Erbschaftssteuer, Ausbildungsplatzabgabe und Bürgerversicherung ab sofort verwirklicht; im Grunde genommen wollen sie deutlich Abstand nehmen zur SchröderRegierung und dem Agenda-Kurs. Andere, zuerst Müntefering selbst, hoffen auf engeren Schulterschluss durch Arbeitsteilung und besseres Handwerk. Als typischer Vertreter des Mainstream in der SPD erweist sich in diesen Tagen Harald Schartau. Er ist, erstens, kein Linker und folglich für Schröders Reformkurs. Er ist als nordrhein-westfälischer SPD-Chef, zweitens, ein verzweifelter Wahlkämpfer und folglich für Reformkorrekturen im Detail. Doch für einen, der im September ein kommunalpolitisches Wahl-Desaster fürchten muss, können die Details so groß ausfallen, dass der Abstand zum Agenda-Kurs am Ende auch nicht kleiner wäre als bei den SPD-Linken. Nicht nur die Erwartungen, auch die Verwirrung ist also riesengroß. Gerhard Schröder hat jetzt für den März eine Regierungserklärung angekündigt, die eine Art zweite Agenda-Rede werden soll. Franz Müntefering wird dann seine erste Rede als SPD-Chef halten. Noch viel Zeit für die SPD, Reformkorrekturen und weniger Tempo zu fordern, den neuen Parteichef gut oder das Kabinett schlecht zu finden. Eine verzagte Seele weint sich aus.tib
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