Opposition: Im Wartestand
Schaut man auf die Geschichte der Bundesrepublik, dann trägt die SPD das Geburtsmerkmal einer Oppositionspartei. In 41 Jahren stellte die CDU den Kanzler, 20 Jahren lang stand ein Sozialdemokrat an der Spitze der Regierung.
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Schaut man auf die Geschichte der Bundesrepublik, dann trägt die SPD das Geburtsmerkmal einer Oppositionspartei. In 41 Jahren stellte die CDU den Kanzler, 20 Jahren lang stand ein Sozialdemokrat an der Spitze der Regierung. Dem entspricht die Selbstwahrnehmung in beiden Volksparteien: Für Mitglieder der Union ist es offensichtlich das Normalste der Welt, Teil einer Regierungspartei zu sein, Sozialdemokraten dagegen hadern schon mal gerne mit der Last, die es bedeutet, Verantwortung zu tragen. „Opposition ist Mist“, sagte der frühere SPD-Chef Franz Müntefering einmal – wohl in dem Verlangen, aus einer geborenen Oppositions- eine Regierungspartei zu machen.
Das ist ihm vielleicht sogar gelungen. Zwar sind die Sozialdemokraten mittlerweile vom Regierungszwang befreit, den Beweis, dass sie das Geschäft der Opposition umso besser beherrschen, haben sie bisher aber nicht erbracht. Die SPD sei keine „Regierungspartei im Wartestand“, heißt es trotzig in den „zwölf Thesen zur Erneuerung der SPD“, die die Parteispitze am vorletzten Wochenende diskutierte. Das ist aus Sicht des Wählers wenig beruhigend. Von einer Partei, die nicht den Drang verspürt, wieder die Führung des Landes zu übernehmen, ist recht wenig zu erwarten. Mit was soll die Regierung Merkel unter Druck gesetzt werden, wenn sich die gegnerische Seite eine Auszeit gönnt? 62 Prozent der Deutschen attestieren der Opposition schlechte Arbeit. Das zeigt: Ein Fehlstart ist nicht nur in der Regierung möglich.
Das Problem ist dabei nicht nur ein inhaltliches, wie es die SPD-Führung unter Verweis auf die in Zukunft geplanten innerparteilichen Debatten gerne suggerieren möchte. Minister wie Philipp Rösler oder Kristina Köhler mögen vielerlei Angriffsflächen bieten – doch ein Schattenkabinett ist in der SPD der Nach-Steinbrück-Generation schon gar nicht zu erkennen.
Und drittens stellt sich ein strategisches Dilemma, auf das SPD-Chef Sigmar Gabriel gerade selbst wieder aufmerksam gemacht hat. Das Problem der fehlenden Koalitionsperspektive ist auch in der Opposition nicht gelöst. Will man nun mit der Linkspartei koalieren oder nicht? Interessant wäre es, einen innerparteilichen Klärungsprozess zu erleben. Stattdessen aber sendet der Parteichef Basta-Worte nach Nordrhein-Westfalen. Gabriel hofft wohl, dass sich der politische Gegner, von der Union bis zur Linken, eigenständig desavouieren wird. Wenn es sich die SPD mal nicht zu einfach macht.
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