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Meinung: In der Fußgängerzone

Von Christiane Reepenbading WO IST GOTT? Wer mit drei kleinen Mädchen einkaufen geht, muss auf alles gefasst sein.

Von Christiane Reepenbading

WO IST GOTT?

Wer mit drei kleinen Mädchen einkaufen geht, muss auf alles gefasst sein. Die erste will unbedingt bei einem Schaufenster stehen bleiben, die zweite kann ohne ein Eis nicht mehr weitergehen, die dritte will raus aus der Karre und auf eigenen Beinen gehen wie die großen Schwestern. Und natürlich fangen zwei oder alle drei immer dann an zu zanken, wenn es am allerwenigsten passt. Die geplagte Mutter denkt an alles mögliche - und ganz bestimmt nicht an Gott.

Wären da nicht die Mädchen. Die unvermittelt und ganz unbefangen zwischen irdischen Angeboten und himmlischen Fragen hin und herspringen können. "Wo ist eigentlich Gott?" will meine jüngste Tochter Kristina mitten im Trubel auf einmal wissen. Auf unbestimmte Art werden meine Einkaufstüten leichter. Meine Tochter Katharina weiß die Antwort sofort und antwortet mit der Bestimmtheit der Ältesten: "Gott ist natürlich im Himmel". Karoline, die als die Mittlere immer aufpassen muss, dass sie nicht zu kurz kommt, schaltet sich auf ihre Art ein: "Nein, Gott ist überall, in allen Blumen, in allen Bäumen, im Wind ..."

Und es entspinnt sich ein kleiner philosophischer Schwestern-Streit, mitten in der Fußgängerzone, begleitet von den Blicken der Passanten, in denen ich lese: Was für wunderbare Kinder! Die Einkaufstüten wiegen gar nichts mehr.

Das ist über zehn Jahre her. Pfingsten haben wir die Konfirmation von Karoline gefeiert, ein Jahr davor die von Katharina. Unser 5-jähriger Jüngster, Alexander, hat bei dieser Gelegenheit gezeigt, dass er von seinen Schwestern den unbefangenen Umgang mit irdischen Angeboten und himmlischen Fragen gelernt hat. Er wollte unbedingt auch eine Rede halten: "Wir freuen uns, weil Katharina heute Konfirmation hat und die vielen Geschenke“.

Die Älteste, die Mittlere , die Jüngste

Bei diesen Feiern haben sich in den großen Teenagern wieder die kleinen Mädchen von damals gezeigt, als es um die Wahl des Konfirmationsspruches ging. Der von Katharina, der Ältesten mit dem großen Verantwortungsgefühl, lautet: "Jesus Christus spricht: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen." Die erfinderische Karoline hat sich so entschieden: "Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist."

Jetzt sind wir gespannt auf das nächste Jahr, wenn Kristina ihren Konfirmationsspruch auswählt, die mit ihrer Frage den philosophischen Schwesternstreit ausgelöst hat: Wo ist Gott?

Die Autorin arbeitet als Kinderpsychologin in Neuruppin und lebt mit ihrer Familie in Potsdam

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