zum Hauptinhalt

Von Fabian Leber: Keine Ahnung vom Arbeitsmarkt

Hartz IV soll verändert werden: Vertrauen wecken die neuen Vorschläge jedoch nicht

Stand:

W arum ist Hartz IV zum Symbol für alles und jedes geworden, was in Gerechtigkeitsfragen gerade schief läuft? Zunächst einmal zwei Fakten: 2004, im letzten Jahr vor dem Inkrafttreten der Reform, gab der Staat rund 38 Milliarden Euro für Arbeitslosen- und Sozialhilfe aus, für die neue Grundsicherung sind es 45 Milliarden Euro pro Jahr. Allein dies spricht gegen die These, dass mit Hartz IV ganze Bevölkerungsschichten in die kalkulierte Armut getrieben wurden. Und die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld I hat sich im selben Zeitraum mehr als halbiert. Nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit ist dafür nicht nur die gute Konjunktur verantwortlich. Das spricht gegen den Einwand, dass die Grundidee von Hartz IV falsch war, nämlich Menschen, die arbeitsfähig sind, so schnell wie möglich auf den Arbeitsmarkt zurückzuführen.

Trotzdem kann der Blick auf die Reform nicht nur befriedigen. Hartz IV hat den Markt der Arbeitslosen gespalten. Der Makel der Abgrenzung ist es, den viele Menschen als Zumutung empfinden – wohl noch mehr als die Tatsache, dass die Angemessenheit des Regelsatzes von 359 Euro durchaus bezweifelt werden darf. Auf der einen Seite stehen die Empfänger von Arbeitslosengeld I, denen mit Bildungsgutscheinen und Beratungsangeboten unter die Arme gegriffen wird. Am anderen Ende finden sich Arbeitslosengeld-II-Bezieher, die nicht nur mit dem finanziellen, sondern auch dem sozialen Absturz zu rechnen haben. Gerade Menschen, die sich selbst in der Mitte der Gesellschaft sehen, geht der Abstieg in Hartz IV an die Existenz. Die Grenze zwischen beiden Gruppen ist dabei durchaus willkürlich gewählt.

Die SPD will das nun ändern, und das Wort vom „Anerkennungsbonus“ steht im Raum: Wer mehr gezahlt hat, soll wieder mehr bekommen. Dieser Gedanke ist verführerisch, doch er widerspricht dem Gerechtigkeitsprinzip grundlegend. Was soll fair daran sein, wenn ein 48-Jähriger das Hartz-IVStigma nicht so schnell fürchten muss wie ein 28-Jähriger, der ebenfalls erfolglos auf Jobsuche ist?

Auch andere Vorschläge klingen zunächst einmal logisch, zum Beispiel der aus Union und FDP, die Zuverdienstmöglichkeiten zu verbessern. Die Einschränkung folgt dann erst im zweiten Schritt: Um Hartz-Empfänger im Vergleich zu regulären Arbeitnehmern nicht zu bevorzugen, müsste der Regelsatz gesenkt werden. Unklar ist, ob das verfassungsrechtlich überhaupt geht – ganz abgesehen davon, wie die Bundesregierung eine weitere Sozialkürzung durchsetzen will, wo sie doch ihr Pulver gerade auf anderen Felder verschießt.

Mit Hartz IV wurde ein System etabliert, das Misstrauen schaffte, weil es unterstellte, dass jeder Arbeit finden kann, wenn er sich nur an die vom Staat vorgegebenen Regeln und Pflichten hält. Das kann funktionieren – wenn es genügend Bedarf nach Arbeit gibt. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen spricht nun davon, dass Langzeitarbeitslose einer öffentlichen Beschäftigung nachgehen sollen, sofern sie staatliche Leistungen beziehen. Dass diese Arbeit aber auch gebraucht werden muss und der Privatwirtschaft nicht schaden darf, darüber redet sie nicht. Suggeriert wird eine falsche Lage am Arbeitsmarkt, ganz so wie es die Gründungsväter von Hartz IV taten. Vertrauen schafft man so nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })