Meinung: Kritik an den Waldorfschulen ist kleinkariert
„Evangelische Kirche warnt vor Waldorfschulen“ vom 1. Februar 2006 Was soll dabei herauskommen, wenn wir uns die historisch überholten, ungereimten Ansichten unserer altvorderen Gründerväter um die Ohren schlagen wollen?
„Evangelische Kirche warnt vor Waldorfschulen“ vom 1. Februar 2006
Was soll dabei herauskommen, wenn wir uns die historisch überholten, ungereimten Ansichten unserer altvorderen Gründerväter um die Ohren schlagen wollen? Dann müsste nicht nur über den Rassismus eines Rudolf Steiner, sondern wohl auch über den Antijudaismus eines Martin Luther gesprochen werden. Historisch unzutreffend ist Gandows Behauptung, die Reinkarnationslehre sei nicht christlich, da sie bereits für frühe gnostisch-christliche Gruppierungen, wie zum Beispiel die Basilidianer des 2. Jahrhunderts, belegt ist. Richtig ist, dass all diese Gruppen den Kampf gegen die Großkirche nicht überlebten und aus diesem Grunde zur „Sekte“, oder – soweit es sich um einzelne Personen handelte – zu „Häretikern“ (Origines) erklärt wurden. Die Reinkarnationslehre ist vermutlich noch nicht einmal unbiblisch (Joh 9:2). Insgesamt manifestiert sich in der kleinkarierten Waldorfschulenkritik des evangelischen Sektenbeauftragten nur die Armut der gegenwärtigen protestantischen Theologie, die ausschließlich um den Sozialarbeiter aus Nazareth kreist und in der alle Metaphysik, theosophische Spekulation und Mystik über Bord geworfen wurde. Gerade die evangelische Kirche hat mit ihrer willfährigen Anpassung an den jeweiligen Zeitgeist einen Reichtum verspielt (zum Beispiel die ganze Logostheologie), dessen Verlust sie selber zur Sekte zu machen droht. Überhaupt wäre Pfarrer Gandow gut beraten, sich gelegentlich mit der theologischen Situation seiner eigenen Kirche zu befassen und sich in christlicher Demut daran zu erinnern, dass auch er in den Augen anderer, zum Beispiel katholischer Theologen, nur Sektenbeauftragter einer Sekte ist.
Dr. Hermann Detering, ev. Pfarrer,
Berlin-Charlottenburg
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