Lesermeinung: Abriss des „Minsk“ wäre kultureller Verlust für die Stadt
Zu: „Ein Plädoyer für das Minsk“, 19.4.
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Zu: „Ein Plädoyer für das Minsk“, 19.4.
Überraschend erfreulich an der Diskussion um das ehemalige Café „Minsk“ ist, dass sich auch einmal Befürworter der architektonischen Moderne Gehör verschaffen – ohne ideologische Scheuklappen. Denn nachfolgende Generationen haben es zum eigenen Erkenntnisgewinn verdient, Zeitzeugnisse zu erleben, die jenseits von Rekonstruktionsversuchen preußischer Barockstübchen liegen. Es täte im Übrigen der politischen Kultur dieser Stadt gut, wenn sie nicht nur von „Mitteschön“ getrieben wird.
Für das interessant gelagerte und gegliederte „Minsk“ braucht man nicht viel Phantasie, um sich eine nachhaltige Nutzung vorzustellen. Immer, wenn ich an diesem übel zugerichteten Stiefkind vorbeifuhr, dachte ich, dies könnte eine schmucke Kunsthalle sein, die Potsdam gut gebrauchen könnte.
Nach dem unglücklich vermurksten Kulturstandort Schiffbauergasse hätte die Stadtentwicklungsplanung hier die Chance zu zeigen, dass sie auch was kann.
Axel Gundrum, Potsdam
Trotz unangenehmer Erfahrungen:
Das Minsk erhalten!
Es ist eine unvernünftige Reaktion, sich nach politischen Umbrüchen an den hinterlassenen Immobilien der Entmachteten zu rächen. Ich habe es erlebt, wie nach 1945 Gebäude geplündert, demoliert und abgebrannt wurden. Die SED- Bezirksleitung hatte die Zerstörung von Guts- und Herrenhäusern erlassen, um die eigene Baupolitik ohne Vergleich besser aussehen zulassen. In der Gegenwart diskutierte kürzlich das Potsdamer Stadtforum recht emotional über DDR-Architektur, in Form des Restaurants „Minsk“ am Brauhausberg. Zu DDR-Zeiten habe ich dort einige Male gepflegt gespeist. Aber das Gebäude war für mich ein Repräsentant der Staats- und der Besatzungsmacht. Ich erinnere mich, dass wir damals einmal warmes Bier zum Essen bekamen. Auf die Reklamation erklärte der Ober ungerührt: „Die Kühleinrichtung befindet sich im Keller, da ist leider das zuerst gezapfte Bier auch zuerst warm“. Ich stelle aber fest, dass sich persönliche Gefühle mit der Zeit entspannen. Die Gaststätte am Brauhausberg und ihre architektonische Qualität sehe ich heute mit anderen Augen und würde sie ungern missen. Der Brauhausberghang begrüßt den am Hauptbahnhof aussteigenden Reisenden und der historische Blick vom Berg auf die Stadt ist unverzichtbar. Der Verbrauch dieser Situation zugunsten einer verlockenden bauwirtschaftlichen Vermarktung wäre ein unwiederbringlicher kultureller Verlust für die Stadt.
Peter Ernst, Güterfelde (in Potsdam geboren)
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