Lesermeinung: Agenda 2010 & Hartz-Reform
Zu „Keine Sonntagsreden“ „Populistische Reden“ schwinge der, so Ministerpräsident Platzeck, der Hartz IV nicht nur kosmetisch kritisiere. Obwohl ich - zugegebenermaßen - meinen Zorn nur schwer bändigen kann, ist derartigen Keulen nur mit Sachlichkeit entgegenzutreten.
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Zu „Keine Sonntagsreden“ „Populistische Reden“ schwinge der, so Ministerpräsident Platzeck, der Hartz IV nicht nur kosmetisch kritisiere. Obwohl ich - zugegebenermaßen - meinen Zorn nur schwer bändigen kann, ist derartigen Keulen nur mit Sachlichkeit entgegenzutreten. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) Düsseldorf schreibt im aktuellen Verteilungsbericht: „Die Bundespolitik verteilt immer schneller immer mehr um - aber nur in eine Richtung, zu Lasten von Arbeitslosen, Kranken, Rentnern, Arbeitnehmern. Und immer hartnäckiger klammert sie sich an den irrigen ’fundamentalistischen’ Glauben, damit kurzfristig die Konjunktur und langfristig das Wachstum zu stärken.“ Deutschland ist zum „Exportweltmeister aufgestiegen. Auf diesem Fundament wäre der Binnenmarkt zu stärken und damit Wirtschaft und Arbeitsmarkt entscheidend zu beleben. Doch „von einer im langfristigen Vergleich stark gesunkenen Nettolohnquote können keine wirksamen Impulse für die Binnennachfrage ausgehen“ und von Sozialleistungsempfängern leider noch weniger. Und die andere Seite, die sich über Kategorien wie Gewinn und Vermögen definiert, investiert nicht. Weiter aus dem Verteilungsbericht: „Gleichzeitig hat der Staat durch seine Vermögensbildung in Reichen-Hand die öffentlichen Kassen entreichert und deren Handlungs- und Nachfragespielraum verkürzt" . Durch die letzte Einkommensteuerreform wird ein Einkommensmillionär jährlich um 106.000 € entlastet, während die bescheidenen Steuerentlastungen der unteren Einkommen durch Belastungen an anderer Stelle tendenziell aufgehoben werden. Alle diese Fehlentwicklungen der Bundespolitik geschehen vor folgendem Hintergrund: Die Lohnstückkosten sind seit vielen Jahren die niedrigsten in der EU. Keine Wettbewerbssituation hat den deutschen Fiskus gezwungen, die Steuereinnahmen aus Gewinn und Vermögen auf das niedrigste relative Niveau in der EU zu führen und auf die Vermögensbesteuerung zu verzichten. Selbstredend kann es nicht angehen, dass wir über die EU die Steuerpolitik neuer Beitrittsländer quasi subventionieren und die eigene Wirtschaft zu verantwortungslosen Produktionsverlagerungen ermuntern. So weit die sachliche Erörterung. Auf einem ganz anderen Blatt allerdings stehen die zunehmend hochkochenden Emotionen. Eine Gesellschaft wird auch oder gerade am Umgang mit den „Schwachen“ gemessen. Und so lange in diesem reichen Land weiter den einen Wasser gepredigt wird und die anderen unheimlich Wein trinken, haben diese Prediger aus Politik und Wirtschaft weniger ein Vermittlungs-, wohl aber ein zutiefst moralisches, Gerechtigkeits- und Glaubwürdigkeitsproblem. Horst Hilzbrich, Kleinmachnow VW-Hartz nicht aufs ganze Land Der Vorstandsmanager Peter Hartz ist seit Jahren für Volkswagen tätig. Das Modell „5000 mal 5000“ trägt seine Handschrift. Der von der Politik gefeierte Hartz steht heute für Arbeitsmarktreformen im gesamten Land. Hartz hat einen Makel: „Volkswagen-Hartz“ lässt sich nicht auf das gesamte Land übertragen. Bekannt ist: Es gab in den 70er Jahren eine Million Arbeitslose, in den 80ern zwei Millionen, in den 90ern vier Millionen und ab 2000 fast fünf Millionen Arbeitslose. Fazit: Mit jedem Jahrzehnt der Bundesrepublik gibt es eine weitere Million von Arbeitslosen. Dies scheint verständlich, da durch den technischen Fortschritt immer weniger Arbeitskräfte erforderlich werden. Die Globalisierung trägt ihren Teil dazu bei. Den Befürwortern der Hartz-Reform sollte bekannt sein, dass die Zahl der versicherungspflichtigen Arbeitsplätze, von derzeit noch 26 Millionen, ständig sinkt. Stoiber tönt, jedes Jahr gehen über 300.000 Arbeitsplätze in Deutschland ans Ausland verloren. Dabei gibt es genügend Arbeit im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich. In diesem Land hat sich die Zahl der Millionäre binnen zehn Jahren seit 1990 auf fast 800.000 verdoppelt. Steuern wurden für Großunternehmen in Milliardenhöhe erlassen. Eine Vermögenssteuer wird nicht erhoben, obwohl rechtlich zulässig. Der Außenexport der Wirtschaft boomt. Ab 2005 soll der Spitzensteuersatz dank Steuerreform für hohe Einkommen erneut sinken. In einer Gesellschaft, wo es für Reichtum keine Grenzen gibt, darf es keine Armut geben. Darum ist Hartz IV eine Frage der Ansicht und aus meiner Sicht abzulehnen. Ingo Korne, Potsdam Entmündigung oder Unachtsamkeit? Nun endlich wissen wir, warum Hartz IV ins Leben gerufen werden musste. 800 Postbeamte musste die BA in Nürnberg wieder mit Arbeit versorgen und mit zusätzlichen Geldern ausstatten. 5.000 Euro Prämie und monatlich 500 Euro Verpflegungsgeld und vier bezahlte Heimfahrten. Für den „Keingeldhaushalt“ kommt da doch einiges zusammen. Das heißt, es werden etwa 12 Millionen Euro benötigt für die, die sich in Richtung Osten für die „Hilfe“ auf den Weg machen. Frage: Wo kommen die Gelder für solche Operationen her? Doch nicht durch die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe? In allen Bereichen wird gespart. Nur hier wird das Geld mit offenen Händen verteilt. Beamte sollten doch da ihre Arbeit machen, wo sie gebraucht werden. Dass sie aber dafür, dass sie dann da arbeiten, wo sie ihre Kirchturmspitze nicht mehr sehen können, noch extra vergütet werden, kann doch nur durch eigene Lobbyarbeit möglich geworden sein. Im Gegensatz dazu muss jeder andere Bürger zusehen, wie er zu seiner Arbeitsstätte kommt. Die Fahrten muss er selber zahlen. Oder werden die Menschen in den Neuen Bundesländern für so dumm eingeschätzt, dass man ihnen die Lösung dieser Aufgabe nicht zutraut? Es wäre schön, wenn sich der Bundeswirtschaftsminister, zu dessen Verantwortungsbereich die BA in Nürnberg gehört, sich dazu äußern würde und die Frage beantwortet, warum man mit den Neuen Bundesländern so verfährt? Böse Zungen sehen das so: Die gewählte Verfahrensweise gleicht mehr einer Entmündigung als das Bestreben, die bestehenden Vorurteile abzubauen. Werner Latzke, Potsdam
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