Lesermeinung: Aufsatz des Historikers Reinert falsch bewertet?
Bürgel unter Beschuss, 9.12.
Stand:
Bürgel unter Beschuss, 9.12. 2008
Der Historiker Dr. Fritz Reinert hat einen gut recherchierten Aufsatz über Bürgels Leben und Werk herausgegeben, der nach Aussagen von Mitarbeitern der Universität Potsdam und des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, wesentlich zur Gewinnung von Einsichten und Erkenntnissen zur kontrovers diskutierten Zeitgeschichte und damit zur Neubewertung von Geschichte beigetragen hat. „Fritz Reinert hat vollkommen recht“, heißt es darin, „Bruno Bürgel als einen zeitweiligen und durchaus vollkommen konformen Mitläufer der Nazis darzustellen“. Der PNN-Autor geht davon aus, dass man aus der SED-Vergangenheit eines Autors seine wissenschaftliche Qualifikation in Zweifel ziehen müsse. Es geht ihm gar nicht darum, die Arbeit des Historikers Fritz Reinert von seinem Grundanliegen für den Leser darzustellen und zu rezensieren – was der Artikel hätte leisten müssen. Man erfährt auch gar nichts über die entscheidende inhaltliche Problematik des Aufsatzes. Sondern der Autor macht sich zum Fürsprecher des ehemaligen Potsdamer Sternenkönigs Arnold Zenkert, der offenbar Bürgel unkritisch zum Idol und Begleiter seines eigenen Lebenswerkes und -wunsches erheben möchte. Die Beleidigungen des PNN-Autors zielen darauf ab, Reinert ein blütenreines SED-Propagandadeutsch und die Stasi-Mitgliedschaft zu unterstellen. Golm war die Kaderschmiede für Stasi -Mitarbeiter, wo Reinert nie ausgebildet wurde, geschweige gelehrt hat. Sondern er hat an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften Mitarbeiter des außen- und innenpolitischen Dienstes in Geschichte ausgebildet. Das ist wohl etwas anderes. Reinert hat als gewissenhafter Historiker neben der detaillierten Würdigung und Darstellung der Verdienste Bürgels seinen Vorwurf eines öffentlichen und nachhaltigen Bekenntnisses Bürgels zum Nationalsozialismus gut analysiert, belegt und seriös in den historischen Kontext gestellt – was er auch noch hätte zuspitzen können.
Dr. Eva Jahn, Potsdam
Säulenheiliger und Denkmalschänder
Für mich (Jahrgang 1931) ist Bürgel nie ein Säulenheiliger gewesen. Ich besitze 20 seiner Bücher.Sie haben mich in meiner Jugend das Lesen guter, kenntnisreicher und einfühlsamer Literatur gelehrt. Ich konnte zudem zu Lebzeiten seine populärwissenschaftlichen Vorträge über die Geheimnisse des Himmels bewundern. Das Interesse daran weckte einer der engsten Freunde Bürgels, Dr. Johannes Deutsch, der an meiner Babelsberger Schule als Geschichts- und Deutschlehrer nach 1945 die schwierige Aufgabe übernahm, seinen Schülern die Nazi-Ideologie auszutreiben. Dass wir heute mehr über Nazi-Verbrechen wissen, haben wir den kritischen Historikern zu verdanken, die auf der Grundlage ungehobenen Quellenmaterials und der Wahrheit verpflichtender Quellenkritik offenen Fragen nachgingen. Zu ihnen gehört Dr. Reinert. Ihm wird im Artikel angelastet, dass er für die Schärfe seines Angriffs einige Bürgel-Zitate hervorkramen konnte. Obliegt es einem Nachlass-Pfleger, darf man Herrn Zenkert fragen, schlüssige Erkenntnisse aus einer wissenschaftlichen Untersuchung zu zensieren? Reinerts Beitrag, den ich wegen des Zugewinns an Kenntnissen über die Biografie Bürgels schätze, hat eine sachliche, auf Fakten gestützte Behandlung verdient. Es ist bedauerlich, dass im Beitrag Bürgel zum Säulenheiligen und Reinert in rabenschwarz-militanter Weise zum Denkmalschänder gemacht werden soll.
Dr. Günter Thiede, Berlin–Steglitz
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