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Lesermeinung: Auftragsvergabe Freizeitbad

Unbehagen Mir geht es im Nachfolgendem um die Artikulation eines gewissen Unbehagens, was mich schon seit geraumer Zeit beschleicht. Der Entwurf Oscar Niemeyers ist gewiss großartig und faszinierend und doch bezieht er sich auf nichts.

Stand:

Unbehagen Mir geht es im Nachfolgendem um die Artikulation eines gewissen Unbehagens, was mich schon seit geraumer Zeit beschleicht. Der Entwurf Oscar Niemeyers ist gewiss großartig und faszinierend und doch bezieht er sich auf nichts. Wie könnte er sich denn auch auf etwas beziehen, wenn die Anschauung des Architekten keine unmittelbare, sondern nur eine technisch vermittelte ist, wo er doch in Brasilien wohnt? Der Entwurf gibt beispielsweise keine „Antwort“ auf das darüber liegende Gebäude, das zur NS-Zeit von einer schlossähnlichen Anlage zu einer trutzburgähnlichen herabgemindert wurde. So steht der Entwurf als solches sicherlich grandios „isoliert“ in der Landschaft da. Es scheint wohl das Kennzeichen der heutigen Zeit zu sein, dass der Architekt keinen Fuß auf das Gelände zu setzen braucht, das er überplant, bis es ihm bei der Grundsteinlegung dann gegenwärtig wird. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb viele Bauten der heutigen Zeit vom reinen Verstand her zwar ansprechend gestaltet sind, doch insgesamt, alles in allem, wirken sie doch oft nüchtern, kalt, seelenlos. Anders bei Knobelsdorff und Schinkel, deren Bauten alle Sinne ansprechen und darum zeitübergreifend schön sind: Sie sind über die Erde gestampft und haben sich den Wind um die Nase wehen lassen, bevor sie schließlich den ersten Federstrich setzten. Helmut Krüger, Potsdam Auch hier ansässige Architekten können landschaftskonform planen Kennen Sie die Toskanatherme in Bad Sulza? Der Bauentwurf gewann den ersten Preis der Thüringischen Ingenieurskammer. Begründung der Jury: „Die innovative Ingenieurleistung liegt primär in der Herstellung einer frei geformten Holzrippenschale ohne Gerüst. Die Wahl des Werkstoffes Holz ergibt sich aus dem Anspruch der Dauerhaftigkeit und der harmonischen Gestaltung für die Überdachung eines Thermalbades. ... Die Gestalt des Thermalbades entspricht durchaus den Erwartungen, die mit solch einem Bautyp verbunden werden. Die gewählte Holzrippenschale als Konstruktion lässt eine freie Grundrissausbildung zu und kommt so den Anforderungen an eine Badelandschaft entgegen. Der Innenraumeindruck überzeugt in diesem Sinne. Dies gilt jedoch nicht für die äußere Erscheinung, die dem angeführten Anspruch einer organischen Einordnung in die Umgebung nicht gerecht wird.“ Möglicherweise relativiert das die beschriene Einzigartigkeit des Niemeyerentwurfes. Offensichtlich sind auch hier ansässige Architekten in der Lage landschaftskonform zu planen. Im Übrigen sollten die Betriebskosten des Bades deutlich hinterfragt werden. Einzigartigkeit bestätigt sich erst dann, wenn das Bad funktioniert und dazu zählt nun auch mal – mehr denn je – eine günstige Bewirtschaftung. Die langen Verbindungsgänge zwischen den Funktionsbereichen sprechen da eine andere Sprache. Im übrigen finde ich, dass die Aussage des Niemeyer Neffen, „von einer Kostengrenze hätte er erst aus der Presse erfahren“, schon an Volksverdummung grenzt. Ingenieur Egbert Krellmann, Potsdam Zu: „Lange Leitung“, 2.6. Wenn zwei unterlegene Wettbewerber gegen die Vergabe der Nachfolgeplanung und Bauausführung des Freizeitbades auf den Brauhausberg Einspruch einlegen, ist das ihr gutes Recht. Es ist zugleich riskant und ungewöhnlich, denn die Beschwerdeführer müssen damit rechnen, künftig bei Auftragsvergaben in der Stadt Potsdam als „Querulanten“ nicht mehr bedacht zu werden. Anders als der Autor meint, spricht dies dafür, dass es bei der Auftragsvergabe sehr ungewöhnlich zugegangen ist. Und eine Vergabekammer ist keineswegs „ominös“, sondern ist ein von Recht und Gesetz vorgesehenes Organ, um Kungeleien und Geschäfte zu Lasten des Wettbewerbs und des Steuerzahlers zu vermeiden. Deshalb ist die Überprüfung zu begrüßen. Falsch ist es auch, die Kommission, die die Vergabe an das Büro Kock einstimmig entschieden hat, als aus „kompetenten“ Leuten bestehend zu bezeichnen. Neben Herrn Paffhausen, der kein Architekt ist, saßen da ein Herr Boehme von der SWP, auch kein Architekt, Herr Eichler, zuletzt Fördermittelvergabespezialist im Landeswirtschaftsministerium, Frau Kuick-Frenz als Baubeigeordnete und der Präsident der Architektenkammer, Herr Schuster. Außer dem letzt genannten dürften keines der Kommissionsmitglieder über ein besonderes Fachwissen, was die Bauausführung bei einem solchen sensiblen Großprojekt angeht, verfügen. Wohl aber haben alle eigene Interessen. Vor diesem Hintergrund ist es fast wünschenswert, dass die Beschwerdeführer Erfolg haben, damit unserer Stadt ein fehlgeplantes, gigantomanisches Projekt erspart bleibt. Schlusstermine bei Fördermitteln haben unserem Land schon einige Ruinen und Fehlentscheidungen beschert. Es wäre schön, wenn diesmal der Sachverstand über die Gier nach Fördermitteln die Oberhand behielte. Berend Diekmann, FDP Potsdam

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