Lesermeinung: Autor mit gesunder Gesichtsfarbe
„Rolle rückwärts oder Ein Berg von einem Mann – Christoph Ransmayr las aus “Der fliegende Berg““, 17. OktoberSonst liest man gefällige Rezensionen von der Autorin über Musikveranstaltungen, diesmal hatte sie eine Lesung gewählt.
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„Rolle rückwärts oder Ein Berg von einem Mann – Christoph Ransmayr las aus “Der fliegende Berg““, 17. Oktober
Sonst liest man gefällige Rezensionen von der Autorin über Musikveranstaltungen, diesmal hatte sie eine Lesung gewählt. Im Gegensatz zur Autorin war ich von dieser feinsinnigen und fantastischen, und dennoch mitten im Leben stehenden, ganz großen Literatur, beeindruckt. Es war eine Freude, Worte zu hören, die man lange Zeit nicht mehr vernahm – ein weiter Wortschatz. Den meisten anderen Zuhörern scheint es ähnlich ergangen zu sein, denn außer Ransmayr und dem Ticken der Wanduhr war kein anderes Geräusch zu hören.
Von den rund 160 Gästen kannte ich so 20 bis 30, und ausnahmslos alle, mit denen ich später sprach, teilten meinen Eindruck. Ich war interessiert, was in der PNN stehen würde – sozusagen von fachkundiger Seite. Aber dann ist mir beim Lesen die Brille aus dem Gesicht gefallen. Da steht was von „gesunder Gesichtsfarbe“ – ja, der Mann scheint halt gesund zu leben - „ein Berg von einem Mann“ – dabei würde ich eher an Helmut Kohl denken, aber Ransmayr ist ausgesprochen schlank, und so groß ist er nicht, dass man ihn einen Hünen nennen könnte.
Dann kommt es deftig: „Ransmayr liest in rhythmischen Singsang“. Das ist von der Qualität eines weißen Rappen oder eines schwarzen Schimmels. Denn ein Singsang ist eintöniges, kunstloses, leises Vor-sich-hin-Singen. Aber Ransmayr trägt lebendig vor, mit natürlicher, ausdrucksstarker Mimik und Gestik. Und was den Inhalt betrifft: Der hat epische Spannweite. Die Autorin: „ziemlich trivialer Inhalt“, „Menschen wirken kühl und leidenschaftslos skizziert“, „gehobene Abenteuer- und Reiseliteratur für geschäftige, kulturbeflissene Städter“. Was hat diese Frau während der Lesung nur gemacht, woran hat sie gedacht?
Karl-Otto Eschrich, Potsdam
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