Lesermeinung: „Befreiung – nein, danke!“
Zu: „Es war eine Befreiung“, 12.2.
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Zu: „Es war eine Befreiung“, 12.2. Dass der junge und vermutlich unbedarfte Stadtverordnete Axel Kruschat den 8. Mai 1945 als „Tag der Befreiung“ bezeichnet, verwundert auf Grund seiner politischen Herkunft nicht. Dass Michael Erbach, als Chefredakteur der Potsdamer Neuesten Nachrichten, als erfahrener Mensch und als verantwortungsvoller Journalist ihn jedoch so zitiert, sich dem anschließt und diese krude Geschichtsklitterung übernimmt, stimmt mich jedoch bedenklich. Er müsste doch wissen, dass 1939 zwei Massenmörder (Hitler und Stalin) gemeinsam Polen überfallen und damit den 2. Weltkrieg ausgelöst haben; dass nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 sich zwei blutrünstige Diktaturen kriegerisch gegenüber gestanden haben und dass letztlich eine der beiden Diktaturen, bekanntermaßen die Sowjetunion, den Sieg davon trug. Und es ist auch bekannt, dass mit dem Einmarsch der Roten Armee Gräuel gegen die Zivilbevölkerung an der Tagesordnung waren. Ich persönlich habe als Kind die Frauen in Finow schreien gehört. Bereits wenige Wochen nach der Befreiung (hier verwende ich den Begriff absichtlich) der letzten KZ-Insassen in Sachsenhausen wurde das Konzentrationslager wieder eröffnet. Eine Vielzahl Andersdenkender, beispielsweise Sozialdemokraten und Angehörige des Bürgertums, wurde dort eingesperrt, von denen viele, man spricht von 40.000 Menschen, elendig umkamen beziehungsweise ermordet wurden. Viele andere wurden aus den nichtigsten Gründen nach Sibirien verschleppt oder hingerichtet - auch die Potsdamer Geschichte kennt derartige Beispiele. Insofern ist es schon ein Stück aus dem Tollhaus, den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ zu bezeichnen. Gottseidank hat Nazi-Deutschland den Krieg nicht gewonnen. Dafür sollten wir allen Alliierten und Soldaten auch der Roten Armee, die einen hohen Blutzoll entrichteten, heute noch dankbar sein. Aber „Befreiung“ - nein danke! Peter Schultheiß, Potsdam Bemerkenswerte sprachliche Aufarbeitung der deutschen Geschichte Am 8. Mai 1945 wurde in Berlin die Urkunde über die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht unterzeichnet. Damit endete – zunächst nur auf dem europäischen Kriegsschauplatz – der Zweite Weltkrieg. Michael Erbach weist in seinem Beitrag nun nach, dass die Potsdamer damals allen Grund zur Begeisterung hatten, nämlich über ihre „Befreiung vom Faschismus“. Das ist eine bemerkenswerte sprachliche Aufarbeitung der deutschen Geschichte dieser Zeit! Über große Potsdamer Freudenfeste im Jahr 1945 ist bisher nur wenig bekannt. Aber die PNN werden in Kürze schließlich ausführlich darüber berichten. So wird endlich auch wieder klar, dass nach der „Befreiung vom Faschismus“ der spätere Bau des „Antifaschistischen Schutzwalls“ nur folgerichtig war. Ingo von Jutrzenka, Potsdam
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