Lesermeinung: Dachlandschaften
Zur geplanten Bebauung der Humboldtstraße in der Potsdamer MitteEigentlich selbstverständlich, wenn eine Verwaltung die Dachlandschaft ihrer Stadt umsorgt. Die Entscheidung zum Kupferdach auf dem Stadtschloss ist ein Beispiel dafür.
Stand:
Zur geplanten Bebauung der Humboldtstraße in der Potsdamer Mitte
Eigentlich selbstverständlich, wenn eine Verwaltung die Dachlandschaft ihrer Stadt umsorgt. Die Entscheidung zum Kupferdach auf dem Stadtschloss ist ein Beispiel dafür. Sie war jedoch kein Akt der Vernunft von Verwaltung, Bauherrn oder Architekten sondern gespendet infolge einer nachdenklichen Bürgerei, die sich beharrlich weigert hinzunehmen, dass am Ende Potsdam‘s Innenstadt doch noch in Details zerstört wird. Gut bedachte Dächer sind wie elegante Kopfbedeckungen und entscheidend für ein Gefühl der Menschennähe. Eine Menschlichkeit, die leider mittlerweile aus der modernen Architektur und aus den Verwaltungen vollständig verschwunden scheint. Wer eine Stadt für seine Bürger plant, sollte sich um ihre Ansichten kümmern. Dächer bilden mit Straßen und Fassaden Raum, Raumgefühl und Gesamteindruck. Die Bildung des Raumes ist eine vorrangige architektonische Aufgabe. Kein Mensch würde zum Beispiel das eiskalte Sony Zentrum am Potsdamer Platz in Berlin betreten, wenn da nicht diese Fujiyama über ihn strahle. Es ist die neue Masche der Geldgesellschaften, durch Gewinngier Schönheit und Handwerk zu töten. Es ist die alte und die neue Nachkriegsmasche in Potsdam, dieses kurzsichtig zu fördern. Geldgesellschaften, ob links oder rechts, ähneln sich am Ende. Sie machen die Menschen zu Nebenprodukten der gierigen Optimierung. Das zeigt sich am deutlichsten in der Architektur. So wird neuerdings in Potsdam das Dach zum Geschoss, zum sogenannten Staffelgeschoss. Beispiele für Staffelgeschosse reihen sich neuerdings in der ganzen Innenstadt wie düstere Vorboten der nächsten Generation systematischer Potsdamer Baukatastrophen: in der Leiblstraße, an der Plantage und jetzt auch in der Humboldtstraße. Während das Stadtschloss endlich seine gerechte Kopfbedeckung erhält, wird gleich nebenan diese billige gierige Idee erneut vom Unternehmer mit einem Staffelgeschoss geplant, wo ein solches Loftgeschoss um Loftabwehrgeschütz schreit. Es ist deutlich: immer wieder werden die Bürger von Potsdam Maß anlegen müssen, wenn sich eine Baufirma oder ein Architekt in der Innenstadt breit macht. Es geht wohl nicht anders. An ihr oder ihm wird das Maß der schönsten Insel Deutschlands gelegt und das ist nicht anmaßend. Potsdams Innenstadt ist nicht so großflächig, dass man sich jede Art Experiment erlauben kann. Der Bürger ist König; das möge man nicht aus dem Auge verlieren. Er war und ist verantwortlich für das Gesamtbild und berät die Gestaltung, wo der einzelne Entwurf in der Mitte nicht gelingen will. Ja: er will in einer menschlichen Umgebung wohnen. Es soll sich dauerhaft lohnen, dafür zu kämpfen.
Arno Gorgels, Potsdam
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