Lesermeinung: Das geschrumpfte Schloss: belanglos oder unverzeihlich?
Zu. „Das geschrumpfte Schloss“, in Potsdam am Sonntag am 11.
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Zu. „Das geschrumpfte Schloss“, in Potsdam am Sonntag am 11. April
Das sind doch mal echte Sorgen – oder? Kaum ein Tag vergeht, ohne dass ein wichtiger Rechtsexperte zitiert wird oder eine noch wichtigere Vize-Fraktionschefin einen „schwerwiegenden Verstoß“ beklagt, der schlimmsten Falls dazu führen könnte, dass preußisch nachempfundene Diensträume um 40 oder 90 Zentimeter bescheidener ausfallen. Als ob der alte Knobelsdorff im Himmel bereits an einem Blitz bastelt, der den Schuldigen – sollte man ihn denn finden – zunächst erschlägt und dann zu isländischer Vulkanasche verarbeitet.
Gibt es wirklich keine anderen Probleme in der Stadt? In dem Schildbürgerstreich steckt doch auch etwas Positives: Denn durch die Schrumpfung müsste man eigentlich Geld sparen, bei 120 Millionen Euro Gesamtkosten müssten einige Hunderttausende dabei rauskommen. Die könnte man in Kinderbetreuung, Bildung, vielleicht sogar kostenloses Schulessen investieren. Aber stattdessen wird auf populistische Art und in epischer Breite über einen Sachverhalt gezetert, der Normalbürgern unverständlich bleibt und für das tägliche Leben belanglos ist. Es sei denn, dass Straße und Schienen wieder aufgerissen werden müssten. Für eine große Anzahl der Potsdamer ist wohl eher die „Schrumpfung“ ihrer Geldeinkünfte durch die Inflation interessanter, als die des Stadtschlosses. Und es gehört ebenfalls zur Wahrheit, dass es eine unterschätzte Anzahl von Bürgern gibt, die nie für dieses Gebäude gestimmt haben und für die auch ein geschrumpftes Schloss kein „Haus des Volkes“ sein wird.
Udo Bartel, Potsdam
„Ein gelungener moderner Zweckbau wäre mir lieber“
Auch der „Alte Fritz“ als Souverän hätte sein Stadtschloss von dem Freiherrn von Knobelsdorff kürzer bauen lassen, wenn ihm weniger als 200 000 Taler jährlich aus seinem Erbe zur Verfügung gestanden hätten. Auch er als König musste sich „zur Decke strecken“.
Wen sollte heute stören, wenn das Schloss im Original nach des Herrn Plattner Geldgeber-Idee aus verkehrstechnischer Notwendigkeit heraus um einige Zentimeter kürzer gebaut wird. Unser Volkssouverän wird im geschrumpften Landtagsgebäude noch genügend Raum finden.
Das Ensemble mit Stadtschloss, Kolonnaden und Palais Barberini, an das ich mich noch aus meiner Kindheit erinnere, lässt sich so nicht wieder erbauen. Mir wäre da – ehrlich gesagt – ein gelungener moderner Zweckbau lieber gewesen.
Eberhard Schüler, Ganderkesee (bei Bremen)
„Schon zu viele Abstriche Knobelsdorff-Original gemacht - nun ist es genug“
Es ist unerträglich, dass die Leute, die beim Stadtschloss das Sagen haben, das Schloss eigentlich gar nicht wollen oder wenig von der Historie verstehen. Ich denke an das jüngste Debakel um die Straßenführung. Es wurden schon so viele Abstriche vom Knobelsdorff-Original gemacht – nun ist es genug. Wenn man bedenkt, dass bereits seit 2008 bekannt sein soll, dass geplante Straßenführung und Schlossgebäude sich beengen, die Straßenbauarbeiten aber zu dem Zeitpunkt noch nicht durchgeführt waren, ist das unverantwortlich und in keiner Weise zu tolerieren. Die Personen in den Leitungsebenen, die von der Situation wussten und schwiegen, sollten zur Verantwortung gezogen werden. Ist Architekt Peter Kulka noch der richtige Mann für unser Jahrhundert-Bauvorhaben?
Herbert Posmyk, Potsdam
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