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Lesermeinung: Das Märchen von den Umgehungsstraßen

Die Politiker verlieren zunehmend ihre Zukunftsvisionen. An Chancengleichheit für ärmere Länder oder nachfolgende Generationen denkt keiner nach.

Stand:

Die Politiker verlieren zunehmend ihre Zukunftsvisionen. An Chancengleichheit für ärmere Länder oder nachfolgende Generationen denkt keiner nach. „Unsere Kinder sind dümmer als in anderen Ländern“, sagten die Leute. „Zur Zerstreuung sei Euch der Lausitzring geschenkt“, strahlte Bauingenieur Hartmut. „Wir haben viele Erwerbslose“, sagten die Leute. „Die können Umgehungsstraßen bauen“, antwortete der Bauingenieur. „Dann verlieren wir unsere Gärten und viele Erholungsgebiete“, sagten die Leute. „ Von den erweiterten Flughäfen aus seid Ihr in wenigen Stunden auf anderen Kontinenten“, freute sich der Bauingenieur für seine Untertanen. „Wir wollen aber hier Urlaub machen“, sagten die Leute. „Durch die ausgebauten Flüsse passen sogar Kreuzfahrtschiffe“, tröstete der Bauingenieur. Viele mochten den Bauingenieur, weil der bei Volksfesten manchmal Freibier spendierte. Und wer wagt schon zu bezweifeln, dass der Lausitzring ein Segen für die Menschheit ist. Unvorstellbar wie trist die Welt ohne Rennstrecken wäre. Bald schloss sich Prediger Manfred Hartmuts Meinung an und schließlich leistete auch Prinz Matthias keinen Wiederstand mehr. Als die Leute in der zugekleisterten Autolandschaft dennoch immer unzufrieden wurden, wurden breitere Umgehungsstraßen zu älteren Umgehungsstraßen gebaut. Es sollte schließlich keiner mehr auf die altmodische Idee kommen, Fahrrad oder Eisenbahn zu fahren. Im Jahre 2100 ist die Erde eine ganz gleichmäßige Kugel aus Beton und Asphalt. Die anderen Wesen im Weltall freuen sich. Das wirkt richtig harmonisch und ästhetisch. Und es gibt keine lästigen Menschen mehr. Ende des Märchens! Ich glaube ernsthaft, dass das Straßennetz in Deutschland schon längst ausreicht. Ich fahre übrigens fast täglich Auto, würde es aber unter bestimmten Bedingungen entbehren können. Warum ist es so schwer, Straßenbaugelder beispielsweise für Bildung oder Ökologie umzuwidmen? Hermann Bohme, Wilhelmshorst

Hermann Bohme, Wilhelmshorst

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