Lesermeinung: Debatte im Interesse weniger Bürger?
Zu: „Klipp schließt Bibliotheksabriss nicht aus“, 19.11.
Stand:
Zu: „Klipp schließt Bibliotheksabriss nicht aus“, 19.11. 2009. Und: Jakobs pfeift Klipp zurück“, 24.11. 2009
Verschiedene Artikel, die sich mit der Stadt- und Landesbibliothek (SLB) beschäftigten, fordern eine Reaktion heraus. Zunächst mit Erstaunen, dann zunehmend mit Verärgerung musste man feststellen, dass allein die Wünsche einer Bürgeriniative, seien sie noch so gut gemeint, tatsächlich in Potsdam dazu führten, dass eine politische Grundsatzentscheidung in Frage gestellt wurde. Nun ist glücklicherweise ein „Machtwort“ vom Oberbürgermeister gesprochen und so kann man hoffen, dass diese unglückselige Diskussion ein Ende gefunden hat. Denn was haben wir eigentlich erlebt? Unbestritten hat die SLB ein Gebäude, das in keinster Weise dem Bedarf einer modernen Bibliothek gerecht werden kann. Ziel der Sanierung sind verbesserte Bedingungen für die Nutzer. Das sollte bei allen Diskussionen nicht vergessen werden. Nach den Aufregungen, dass vollkommen unsachgemäß Magazinliteratur beseitigt werden sollte, kam nun der nächste Schlag. Die ästhetischen Vorstellungen einiger Privatpersonen reichten aus, um wieder einmal Grundsatzfragen zu stellen. Man gefährdete sogar die Bereitstellung von Landesfördermitteln Man nahm in Kauf, dass die Diskussion ganz von vorn beginnt und eine Verbesserung für die SLB erst mit großer Verspätung möglich geworden wäre.
Anlass waren allein die ästhetischen Vorstellungen einiger Bürger, aufgewertet durch einen Baubeigeordneten, dessen ungeschicktes Agieren man nur zu gern unter der Rubrik „Anfängerfehler“ verbuchen möchte.
Es gibt keine allein seligmachende Antwort auf die Frage gibt, welches Stadtbild uns gefällt. Aber es fällt auf, dass es immer wieder Bemühungen gibt, den eigenen Geschmack der Allgemeinheit aufzwingen zu wollen. Warum nicht das mittelalterliche Dorfleben mit den technischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts kombinieren? Das würde doch auch ganz betulich aussehen. Wer gibt uns das Recht, einzelne historische Phasen in ihrer Bautätigkeit als allein erhaltenswert zu definieren? Die Bibliothek hätte sicher keine Probleme gehabt, wenn ein Neubau funktionsgerecht und schön errichtet worden wäre. Die Politik hat sich nach gründlichen Prüfungen aber nun einmal schon vor Jahren für die Sanierung entschieden. Schlimm genug, dass deren Beginn nun verschoben wurde. Aber fangen wir doch nicht ständig an, alles wieder in Frage zu stellen und dann auch noch Antworten zu geben, die undurchführbar oder zu unverantwortlicher Zeitverzögerung führen würden. Die Bürgerinitiative kann ja ihre Vorstellungen gern in laufende Diskussionen einbringen, aber sie muss damit leben lernen, wenn sich die Mehrheiten anders entscheidet.
Annette Gerlach, Michendorf
Kompromiss: Das vordere Segment hinten anfügen!
Jeder wünscht sich eine Bibliothek an zentraler Stelle, auch Mitteschön stellt das nicht in Frage. Aber über eines müssen wir uns im Klaren sein: was hier gebaut wird, sollte eine Weile stehen bleiben und vor dem Urteil kommender Generationen bestehen können. Also denken wir lieber noch mal in Ruhe nach. Warum sollte der bestehende Baukörper erhalten bleiben? Weil es kostengünstiger ist? Eine schlechte Lösung hat mehr Folgekosten als eine gute. Weil er aus der DDR-Zeit stammt? Das allein ist kein Grund, es sei denn, die Diskussion um Potsdams Mitte soll noch immer ideologisch geprägt sein. Weil er schön ist? Denjenigen möchte ich kennenlernen, der mich von seiner Ästhetik überzeugt. Der geplante Umbau wird den Bau auch nicht schöner machen. Es wird uns allen nur eine Allerwelts-Glasfassade bescheren. Es ist keine Unverschämtheit, die aktuellen Bibliotheks-Pläne in Frage zu stellen, sondern das gute Recht mündiger Bürger. Warum also der Aufschrei? Vielleicht hilft ja ein Kompromiss: Entfernen wir das vordere Segment aus dem Baukörper und fügen es hinten wieder an! So bliebe die Bibliothek am jetzigen Ort, doch sie würde sich besser in den historischen Stadtgrundriss einfügen.
Jörg Hartmann, Potsdam
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