Lesermeinung: Debatte um Landtagsneubau
„PDS: “Schloss-Koalition ist gescheitert““, 6. NovemberEin Kompromiss ist die Lösung eines Streites durch Verzicht beider Seiten auf einen Teil der Forderungen.
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„PDS: “Schloss-Koalition ist gescheitert““, 6. November
Ein Kompromiss ist die Lösung eines Streites durch Verzicht beider Seiten auf einen Teil der Forderungen. Diese einfache Regel wird bei der Schlossdebatte außer Acht gelassen. Viele Stadtverordnete meinten, da würde im Herzen der Stadt das Knobelsdorffsche Schloss entstehen. Aber der Bauherr braucht einen funktionalen Landtag. Um beide Seiten zu versöhnen, soll es einen Neubau geben, der bei ferner Betrachtung an den alten Bau erinnert, aber von nahe gesehen den eher nüchternen Ansprüchen genügt. Es gibt keine Alternative: Das Original kann niemand bezahlen, ein neuer Entwurf in der überkommenen Kubatur ist nicht durchsetzbar. Obwohl das der beste Ansatz wäre. Auch heute lebende Architekten besitzen die Kreativität eines Knobelsdorff, dafür lassen sich in Potsdam genügend Belege finden (zum Beispiel das neue Hans Otto Theater). Außerdem kann man über einen Architekturwettbewerb eine breite Öffentlichkeit mit einbeziehen. Unsere Zeit angemessen zu reproduzieren ist die eigentliche Aufgabe, nicht das Nachahmen der Vergangenheit. Aber es mangelt der Stadt an Unterstützung durch einen breiten öffentlichen Konsens.
Norbert John, Potsdam
Zum heutigen Entschluss der Stadtverordnetenversammlung
Ich will die heutige Entscheidung der STVV nicht zu gering ansetzen. Sie rührt an nichts Geringerem als an Potsdams Identität. Für mich kann Identität immer nur aus dem Eigenen, aus dem Einzigartigen und Unverwechselbaren entstehen. Gelingt es, aus einer Straßenkreuzung, wie sie hundert- und tausendfach an anderen Orten auch sein könnte, wieder einen ansehnlichen Ort zu machen? Gelingt es, den heute Gesichts- und geschichtslosen Ort zu wandeln? Gelingt es, einen Ort zu schaffen, an dem jeder merkt: Unverwechselbar und einzigartig.
Helmut Krüger, Potsdam
Zurück zur Sachlichkeit
Die Reaktionen auf die Ablehnung verlangen eine Gegendarstellung. Sie entstanden entweder aus Unkenntnis oder waren von der Drohung beeinflusst, dass Fördergelder als „Geschenk“ nicht genutzt würden. Die Entscheidung des Parlaments, das Zentrum der demokratischen Gesellschaft zum Herz der Landeshauptstadt zu machen, ist das Ergebnis eines langen Reifeprozesses. Die Stadt hat erhebliche Anstrengungen und Mittel aufgewendet, diesen repräsentativen Standort vorzubereiten. Mit einem „Geschenk“ hat das nichts zu tun. Die Einhaltung der Baulinien ist begründet aus der Struktur des Gebäudes. Mit seiner Veränderung wird die architektonische Qualität des Bauensembles zerstört. Der Schlosskomplex bestand aus einer Reihe von Einzelgebäuden, die von Knobelsdorff zu einer genialen Komposition geformt wurden. Dazu trug die schlichte, strenge Fassaden-Struktur erheblich bei. Die Einhaltung der äußeren Baulinie ist Bestandteil des Landtagsbeschlusses vom Mai 2005. Die vom Landtag beantragte Veränderung basiert auf einer Machbarkeitsstudie. Aber diese Studie wurde nur als Variantenuntersuchung aufgeschrieben und kann nicht Anlass für eine gravierende Änderung und die Aufhebung des Landtagsbeschlusses sein. Der Architekturwettbewerb der Investoren steht noch aus. Der Beirat „Potsdamer Mitte“ prüfte die Studie und kritisierte besonders diesen Teil. Die Studie bietet den Innenhof als gleichförmige Bürofassade an. Eine leichte Verschiebung des Plenarsaals nach Norden würde dem Hof den notwendigen Akzent verleihen und die architektonische Achse „Plenarsaal, Fortunaportal und Kuppel Nikolaikirche“ herstellen. Diese Veränderung allein würde genügen, die äußere historische Baulinie einzuhalten. Von einer Einschränkung der Funktion als Landtag oder gar von einem „sündhaft teuren Bau“ kann keine Rede sein. Der Landtag sollte sich zu einem hervorragenden Beschluss bekennen.
Günther Vandenhertz, Architekt und
Mitglied im Beirat „Potsdamer Mitte“
„Die Grenze ist die Linie“, 9. November
Blockiert wird die Entwicklung der PotSdamer Mitte nicht durch ein Zuviel an Bürgerbeteiligung. Blockiert wird sie durch das Dogma der scheinbaren Alternativlosigkeit zur Errichtung einer Schlosskopie am Alten Markt – was von den Potsdamer Medien leider überwiegend kritiklos übernommen wird. Die wahren Blockierer sitzen in den Fraktionen, deren Ziel der originalgetreue Nachbau einer nicht mehr existierenden preußischen Residenzstadt ist. Diesem Ziel wird alles untergeordnet und dafür wird vereinfacht, gelogen und verschleiert. Da wird die Komplexität moderner Stadtentwicklung auf die simple Formel „Mit dem Schloss wird alles besser!“ reduziert. Da werden – Beispiel „Trambrücke“ – weitere Millionen-Kosten, die mit dem Schloss-Bau zusammenhängen, nicht als solche deklariert. Da verschwinden eben mal 12.000 Autos aus dem innerstädtischen Verkehr, um an das Geld für die eigentlich unnötige Brücke zu kommen. Da wird nicht die problematische Konstruktion der „Public Private Partnership“ für den Parlamentsbau thematisiert. Und da werden die Potsdamer Bürger als Blockierer beschimpft. Wenn sich das so fort- und durchsetzt, ist es folgerichtig, wenn der Landtag in einem Gebäude sitzt, dass einem vordemokratischen Herrschaftssitz nachempfunden und dessen wahrer Hausherr ein privates Konsortium ist.
Wolfgang Rose, Potsdam
„Patt kippt das Landtagsschloss“,
2. November
Ich bedanke mich bei den 22 Stadtverordneten, die gegen den Schlossneubau stimmten. Diese Abgeordneten handelten – trotz des immensen Parteien- Drucks – im Interesse der Mehrheit der Potsdamer Bürger. Ich hoffe, dass auch bei der heutigen Abstimmung, die Mehrheit gegen den Schlossbau votieren wird. Es ist für die meisten Potsdamer nicht nachvollziehbar, warum für dieses Prestigeprojekt so viel Geld vorhanden ist, wo es doch sonst immer heißt, dass die Kassen leer seien. Anstatt den Landtag auf dem Brauhausberg zu renovieren, soll jetzt mehr als das doppelt so viel Geld ausgegeben werden. Argumentiert wird für diese „Steuerverschwendung“, es wären vor allem Landesmittel dafür verbaut – als ob nicht auch die sparsam vergeben werden sollten. Die Volksvertreter sollten sich bei der nächsten Abstimmung vor allem den Potsdamern als Wähler verpflichtet fühlen, deshalb ist eine geheime Abstimmung dringend erforderlich. Politiker sollten sich darüber klar sein, dass ihre Glaubwürdigkeit zunehmend leidet. Wie kann Herr Platzeck vermitteln wollen, ein Landtag im Schloss sei volksnah?
Heike Dode, Potsdam
Vision – Potsdamer Stadtschloss
Die Universität in der Stadtmitte – das wäre ein wegweisendes Symbol des Wandels. Es ist nicht nachvollziehbar, warum in Zeiten knapper Kassen, 100 Millionen Euro für einen Landtag ausgegeben werden, der – nach einer Fusion – ebenso in Berlin oder im Preußischen Landtag Platz finden könnte. Warum wird das Geld nicht in Bildung investiert? Die Potsdamer Stadtmitte ist kein Ort wie jeder andere, sie repräsentiert eine historische Dimension. Hier sollten die geisteswissenschaftlichen Einrichtungen ihre Wirkungsstätte erhalten. Unweit der Potsdamer Synagoge und dem künftigen Zentrum der jüdischen Gemeinde, könnte man mit der Umbenennung der Potsdamer Universität in die Albert-Einstein-Universität einen wahrhaft Großen der Menschheit würdigen. In der Tradition des Wirkens Einsteins für Frieden, Abrüstung, Menschenrechte und Völkerverständigung kann die Stadtmitte im wieder aufgebauten preußischen Stadtschloss zu einem wegweisenden Symbol des Wandels werden. Die Politik könnte mit der Zurücknahme ihrer Entscheidung für den Landtag im Stadtschloss ihren Worten von der Notwendigkeit verstärkter Investitionen in die Bildung Taten folgen lassen und in die Zukunft investieren.
Thomas Uhlig, Potsdam
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