Lesermeinung: „Der Frauenfußball hat im Karli seine Unschuld verloren“
Zu: „Skandal-Sieg - Turbine Potsdam unterlag dem FFC Frankfurt in einem Heimspiel mit drei schwer verletzten Kickerinnen“, 1.10.
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Zu: „Skandal-Sieg - Turbine Potsdam unterlag dem FFC Frankfurt in einem Heimspiel mit drei schwer verletzten Kickerinnen“, 1.10.
Der Potsdamer Trainer Bernd Schröder sagt immer, der Frauenfußball muss anders, muss besser sein, als der der Männer. Er meint damit die offensivere Ausrichtung, aber auch das saubere und faire Spiel, welches bei Frauen eher gezeigt wird. Frauen benehmen sich besser auf dem Platz. Sie spucken nicht auf den Rasen. Dreckige Fouls gibt es nicht. So viel zum Anspruch.
Und jetzt die grausame Wirklichkeit. Da lagen zwei Spielerinnen minutenlang auf dem Rasen, es floss viel Blut, Halskrausen wurden angelegt, Sanitäter und Rettungsärzte, Mannschaftsärzte waren bei den Spielerinnen. Im Stadion wurde es still. Alle machten sich Sorgen um den Gesundheitszustand der beiden Verletzten. Und dann wurde es merkwürdig: Die überforderte Schiedsrichterin schickte eine Betreuerin von Turbine vom Rasen, obwohl die eindeutig in Sorge um ihre Spielerin war und sich keinen Vorteil erschleichen wollte.
Dann ging Trainer Schröder auf den Rasen und auch auf ihn wurde eingeredet, er sollte auf seinen Platz gehen. Zwischenzeitlich deuteten die Frankfurterinnen auf die Uhr. Ich denke, sie wollten der Schiedsrichterin sagen, dass das Spiel doch einfach abgepfiffen werden sollte. Vielleicht irre ich mich. Man liest später, dass auf die entsprechende Nachspielzeit hingewiesen wurde.
Die Dame in Gelb zeigte fünf Minuten Nachspielzeit an. Na ja, dachte ich, dass muss sie ja. Die Regeln schreiben es vor. Die Sportlerinnen werden es selber wie Sportler regeln. Es gibt zwei Beispiele dafür – aus dem Männerfußball: Im März 2011 wurde ein Spieler vom VfL Osnabrück beim Spiel in Cottbus schwer verletzt. Beide Teams spielten den Ball in der Nachspielzeit hin und her, unterstützt vom Publikum, das skandierte: „Abpfeifen!“ Am 5. Mai dieses Jahres spielte der SV Babelsberg 03 in Wiesbaden. Zehn Minuten vor Schluss verletzte sich Makarenko bei einem Kopfballduell schwer am Kopf. Darauf spielte sich der Gastgeber aus Hessen den Ball in der eigenen Hälfte zu. Sie versuchen nicht, ein drittes Tor und damit den Sieg zu erzielen.
Der Frauenfußball hat im Karli seine Unschuld verloren. Frankfurt verpasste die Chance, sich dicke Punkte für Sympathie und Fairness zu holen. Was von der Tribüne des Karli in Richtung Bank der Gäste kam, und zwar nicht erst nach dieser unsäglichen Geschichte, ist unglaublich und eine Schande für Turbine Potsdam. Auch der persönliche Angriff gegen ehemalige Spielerinnen aus Potsdam ist unerträglich. Das gehört sich nicht und ist unsportlich.
Alles in allem ein wahrhaft schlechter Tag für den deutschen Frauenfußball. Und das an einem Tag, an dem bis zur 88. Minute das Spitzenspiel der Frauenfußball-Bundesliga eine wirkliche Werbung für den Sport war. Ab dann aber sah man, dass Fußballer aus Cottbus, Wehen/Wiesbaden, Osnabrück und Babelsberg und die Zuschauer der beiden erwähnten Spiele beim Fußball der Männer bessere, weil fairere Sportler sind.
Sven Fischer, Potsdam
Beim Fußballspiel rasten in der Nachspielzeit zwei Potsdamerinnen derart mit den Köpfen zusammen, dass Ärzte und Helfer alles Mögliche zu tun hatten, um erste Hilfe zu leisten. Im Stadion waren mehr als 4000 Zuschauer betroffen und mucksmäuschenstill. Aber was passierte dann? Der Potsdamer Trainer, der sich um den Zustand seiner Spielerinnen Sorgen machte, wurde des Feldes verwiesen. Die Schiedsrichterin, die hätte abpfeifen können, ordnete fünf Minuten Nachspielzeit an. Die Frankfurterinnen hätten das Spiel im Unentschieden ausklingen lassen können, nutzen aber ihre Spielerüberzahl, um in der Betroffenheit das Siegtor zu machen. Auch wenn ich diese Zeilen unter dem Eindruck des Gesehenen schreibe, ist zu erkennen, wie weit Anspruch und Wirklichkeit in der Fairness auseinanderliegen.
Ingolf Schumann, Potsdam
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