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Lesermeinung: Der Preis frühstmöglicher Sozialauswahl

Zweite private Kita in der Berliner-Vorstadt, 21.4.

Stand:

Zweite private Kita in der Berliner-Vorstadt, 21.4. 2008

Die Begeisterung des Potsdamer Oberbürgermeisters Jann Jakobs kann ich nicht teilen, wenn er die Initiative von Eltern begrüßt, die keine Forderungen an die Stadt stellen, sondern die Dinge selbst in die Hand nehmen. Denn in einer Kita mit mindestens 550 Euro Elternbeitrag pro Monat werden Kinder einer Busfahrer-Familie oder einer städtischen Büroangestellten kaum angemeldet werden. Und die Kinder derer, die es sich leisten können, werden bereits im Kindergartenalter auf Spielgefährten aus anderen sozialen Milieus verzichten müssen. Auch ihnen wird der Blick auf die Lebensumstände Gleichaltriger, die mit wenig Geld groß werden und trotzdem glücklich leben können, vorenthalten. Freunde finden sie nur unter Ihresgleichen.

Schön, dass in dieser besonderen Kita bessere Förderung mit mehr Personal und integrierten Zusatzangeboten möglich sein wird – um den Preis der frühestmöglichen Sozialauswahl. Es steht zu befürchten, dass auch diese Kitaplätze mit den Steuergeldern des Landes Brandenburg gefördert werden, wie die Villa Ritz, die als Nummer Eins am Platz Berühmtheit über Potsdam hinaus erlangt hat.

Besser wäre, solche Gelder zusätzlich für Familien aus Drewitz oder vom Schlaatz aufzuwenden und die neue Kita vollständig von den Nutznießern und ihrem Förderkreis bezahlen zu lassen. In meinen Augen entspringen solche Initiativen, die nicht allen Kindern offen stehen, überwunden geglaubtem Potsdamer Standesdünkel und Eliteanspruch. Bürgerschaftliches Engagement nimmt durchaus Dinge selbst in die Hand, ist aber auch dem Gemeinwohl verpflichtet, statt zunächst nur für bessere Verhältnisse für die eigenen Kinder zu sorgen, die sowieso privat durch Sprachunterricht, musische Förderung und eine anregungsreiche Umgebung gefördert werden. Mit Gemeinnützigkeit und Familienfreundlichkeit hat diese Kita-Initiative für wenige Auserwählte nur bedingt zu tun. Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz als Wohlfahrtsverband und der Evangelische Kindertagesstätten-Fachverband sehen solche Entwicklung eher kritisch. Zum Gesetzentwurf aus dem Bundesfamilienministerium haben wir unsere Position klar in die Diskussion eingebracht: „Privat-gewerbliche Träger von Tageseinrichtungen für Kinder arbeiten mit dem Ziel der Gewinnerwirtschaftung zur freien Verwendung. Dass dafür der Zugang zu regelmäßiger Förderung mit öffentlichen Geldern geschaffen wird, ist kaum für unseren Verband nachzuvollziehen“. Der Potsdamer Oberbürgermeister scheint das ganz anders zu sehen.

Jürgen Schwochow, Geschäftsführer Verband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

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