Lesermeinung: Der Wunsch, dass Steine sprechen können
Zum „Atlas“ vom 1. März 2004 „Wer mit wem?
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Zum „Atlas“ vom 1. März 2004 „Wer mit wem?“. Nichts ahnend schlägt man eine Potsdamer Tageszeitung auf und glaubt, im „Neuen Deutschland“ gelandet zu sein. Eine sozialistisch-sozialdemokratische Landesregierung, so der offensichtliche Wunsch, klinge „im Brandenburger Lande nicht mehr so unmöglich wie noch vor vier Jahren“. Und in Potsdam werde „ja auch oft mit – statt gegeneinander entschieden“, wobei „dabei meist ganz Vernünftiges herausgekommen“ sei. Gerade in den PNN eine Position zur Regierungsbeteiligung der SED-Nachfolgepartei der SED-Funktionäre zu lesen, verblüfft mich wegen der Realitätsferne und menschlich-politischen Fahrlässigkeit. Wer schon einen fragwürdigen Schlussstrich unter die Zeit vor 1989 ziehen will, muss sich doch wenigstens an die verhängnisvolle und „unvernünftige“ PDS/SPD-Zusammenarbeit der Potsdamer Jahre zwischen 1993 und 1998 erinnern: Die finanzielle Notlage der Stadt von heute wurde damals gelegt. PDS und SPD hatten das Stadtzentrum weiter verwahrlosen lassen und der Stadt die neue Beton-Bau-Sünde des Potsdam-Centers beschert. Schließlich haben beide Parteien damals die große Glaubwürdigkeits- und Korruptionsaffäre um die Herren Gramlich und Kaminski so lange gemeinsam ausgesessen, bis sie aufgrund eines Bürgerbegehrens zum Einlenken gezwungen wurden. An der Aufklärung und Bereinigung dieser „unvernünftigen“ Zeit des Rückschritts waren neben politischen Parteien vor allem die PNN federführend beteiligt. Ich frage mich, wie man dies verdrängen und hinter die eigene, große Leistung der journalistischen Aufklärung so weit zurückgehen kann. Und zu glauben, die PDS werde sich jemals um das von ihr verwüstete Stadtzentrum kümmern, ist ein „antagonistischer Gegensatz“ oder schlicht der Wunsch, dass Steine sprechen können. Wer helfen will, Potsdam und sein kulturelles Zentrum wieder aufzubauen, sollte die SPD vor der PDS „vernünftigerweise“ schützen helfen, statt dafür zu plädieren, dass wir wieder in die Zeiten des „sozialistischen Wirtschafts-, Bildungs- und Stadtentwicklungs-Mehltaus“ zurückfallen. Dr. Wieland Niekisch, MdL, Potsdam
Dr. Wieland Niekisch, MdL
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