Lesermeinung: Die Robinien in der Charlottenstraße
Seit Jahren wird um die Robinien in der Charlottenstraße gestritten. Die einen plädieren für eine Nachpflanzung der erhaltenen Altbäume, die anderen behaupten, es gehörten überhaupt keine Bäume in die Charlottenstraße.
Stand:
Seit Jahren wird um die Robinien in der Charlottenstraße gestritten. Die einen plädieren für eine Nachpflanzung der erhaltenen Altbäume, die anderen behaupten, es gehörten überhaupt keine Bäume in die Charlottenstraße. Die historischen Fakten werden dabei nicht ausreichend beachtet. Anlässlich der Bearbeitung des Grünteils des Denkmalpflegeplans Potsdam hatte der Verfasser im Auftrag des Stadtverwaltung Gelegenheit, die wenigen, bisher bekannten historischen Quellen zusammenzustellen. Diese besagen: Ursprünglich, im 18. Jahrhundert, waren in der Tat keine Bäume vorhanden. Nach Angabe der Potsdamer Lokalhistorikerin Karoline Schulze ließ aber König Friedrich Wilhelm IV. die Straße mit Kugelrobinien bepflanzen. Das entsprechende Zitat in ihrem Nachlass lautet: „Man könnte doch wenigstens in der Lindenstraße Kugellinden pflanzen, wie es nach Wunsch F W IV in der Charlottenstraße mit Kugelakazien geschehen ist.“ Karoline Schulze schrieb dies um 1870, nachweislich nach 1867. Damals dürften die Kugelbäume noch gestanden haben. Ein genaues Pflanzjahr ist nicht überliefert. Auf dem sehr exakten Stadtplan von Berghaus (1850) sind noch keine Bäume in der Straße eingetragen. Die Pflanzung dürfte daher in den 1850er Jahren erfolgt sein. Bislang sind keine Darstellungen bekannt, die die Kugelrobinien zeigen. Man würde sie aber vermutlich finden, wenn man nur wollte. Dass Karoline Schulze falsche Angaben gemacht haben sollte, ist jedenfalls eine absurde Annahme, denn sie hätte hierfür keinerlei Grund gehabt. Kugelrobinien haben eine geringe Lebenserwartung. Geklärt werden müsste noch, ob die Kugelrobinien in der gesamten Straße oder nur in einigen Abschnitten standen. Die immer wieder als Argument gegen die Bäume ins Feld geführten historischen Messbildfotos stammen aus dem Jahre 1911. Damals waren wiederum keine Bäume vorhanden. Dies wundert nicht. Denn wenn die Bäume um 1855 gepflanzt worden sind, so hatten sie um 1900 ein Alter erreicht, in dem sie beseitigt oder ersetzt werden mussten. Die in den letzten Jahren nach und nach beseitigten Robinien stammten nicht aus den 1920er Jahren, wie der Artikel in den PNN vom 29. April angibt. Vielmehr wurden im Jahre 1934 auf Anordnung von Oberbürgermeister Hans Friedrichs in der Charlottenstraße zwischen Schopenhauerstraße und Waisenstraße sowie an der Schopenhauerstraße südlich der Charlottenstraße normale, hoch wachsende Robinien gepflanzt. Die übrige Straße musste kahl bleiben wegen Leitungen im Gehweg. Die entsprechende Anordnung von Friedrichs befindet sich in den Akten der Stadtverwaltung, betreffend die Freundschaftsinsel. Offenbar erinnerten sich die Potsdamer noch an die Bäume Friedrich Wilhelms IV., und die Wahl der Baumart Robinie wäre so zu erklären, wenn auch nicht ganz korrekt, was die Sorte betrifft. Die Diskussion um die Neubepflanzung der Straße sollte diese Fakten berücksichtigen und die Forschung nach der historischen Bepflanzung vertiefen. Dr. Clemens Alexander Wimmer, Potsdam
Dr. Clemens Alexander Wimmer
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