Lesermeinung: Die Stadtverordneten zur Teilnahme an der Werkstatt verpflichten!
Zu: „Hohe Erwartungen. Zur ersten Schwimmbadwerkstatt kamen rund 300 Potsdamer“Ich war einer der 300 und nach der Auftaktveranstaltung mehr als irritiert.
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Zu: „Hohe Erwartungen. Zur ersten Schwimmbadwerkstatt kamen rund 300 Potsdamer“
Ich war einer der 300 und nach der Auftaktveranstaltung mehr als irritiert. Eine Zukunftswerkstatt, die einen Arbeitsaufwand von 32 Arbeitsstunden für 300 interessierte Bürger generiert – also 9 750 Arbeitsstunden – das ist doch wohl nicht ernst gemeint? Es ist die Zeit, die sechs Planer brauchen, um die gesamte Planungsleistung für das Schwimmbad im einem Jahr zu erbringen. Eine Zukunftswerkstatt, in der der oberste Interessenverwalter der Stadt für dieses Vorhaben, der Oberbürgermeister selbst, in das Thema einführt? Er ist doch Teil des Konfliktes und als solches gehört er in die 300 eingereiht. Auch die enorme Anzahl städtischer Angestellter sowie Stadtverordneter hat mich überrascht. Glauben die wirklich, dass sie hier etwas schaffen können, was sie in Gremien, Ausschüssen, Stadtverordnetenversammlungen und Expertenanhörungen nicht geschafft haben, nämlich einen Konsens herbeizuführen? Sind die Laien-Planer wirklich eine Hilfe oder nur das Alibi, um psychologische Unterstützung ins Boot zu holen? Die beiden Mediatoren waren ebenfalls weit von ihrer Höchstform entfernt. Sie ließen bereits in der Auftaktveranstaltung parteiliche Interessen als Erweiterung des Fragenkataloges zu. Was erwarten Politiker von solch einer? Jann Jakobs erwartet Antworten. Sind die formulierten Anforderungen ausreichend? Gibt es weitere Aspekte? Welche Ideen gibt es zur Umsetzung? Gibt es weitere Varianten? Jakobs erwartet keine Antwort auf die Frage, welche Planungsvariante realisiert werden soll. Aus den formulierten Fragen werden die Beteiligten einer Werkstatt keine Planungsvorgaben generieren, die von den Fachplanern der Verwaltung nicht schon mehrfach diskutiert wurden. Ist es wirklich notwendig, dass Jakobs mit seiner Fragenliste die eigene Verwaltung diskreditiert? Seit 16 Jahren werden für das Bäderkonzept Teilergebnisse erarbeitet. Für eine Entscheidungsfindung mangelte es nicht an fehlender oder kompetenter Planung. Potsdam verfügt über eine große Anzahl von Profis in der Stadt-, in der Infrastruktur-, in der Sportstätten- und in der Finanzierungsplanung. Die erarbeiteten Grundlagen für eine politische Entscheidungsfindung sind ohne Zweifel vorhanden. Basisorientierte Entscheidungsprozesse in unserer Bürgergesellschaft sind Ausdruck einer lebendigen Demokratie. Wie Jakobs erklärte, soll die Werkstatt dazu beitragen, eine Art von Plebiszit herbeizuführen. Alle 135 000 Einwohner sollen im März ihr Votum abgeben.
Die drei Varianten basieren auf Planungsgrundlagen, die hochkomplex sind. Deshalb wird die Planung von Fachleuten und nicht von Politikern oder Laien erarbeitet. Wenn die Gremien und die Stadtverordnetenversammlung auf der Basis dieser Grundlagen keine Entscheidung fällen kann, dann liegt es an ihnen, die Fragen zu formulieren, auf die sie als gewählte Vertreter eine Antwort geben müssen; denn das ist ihr Job. Ein Plebiszit, das die Abwägung von Planungsparametern und partikularen Interessen voraussetzt, ist nicht wirklich demokratisch. Die Mediation einer Zukunftswerkstatt bekommt man nicht umsonst. Es wäre gut investiertes Geld, wenn man die Stadtverordneten zur Teilnahme an der Werkstatt verpflichten könnte. In dem Werkstattverfahren könnten sie das lernen, was sie zur Zeit offensichtlich noch nicht beherrschen, nämlich auf der Basis von fundierten Parametern Entscheidungen herbeizuführen. Nach der Auftaktveranstaltung bin ich ins Brauhausbad schwimmen gegangen und habe damit die Abgabe meiner Stimme schon vorgezogen.
Wolfgang Schuster, Lehrstuhlinhaber für Entwerfen und Baukonstruktion an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus.
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