Lesermeinung: Die „vorlaute“ Sopranistin war gewollt

Zu: „Vier Solisten und ein Klavier“, 13.9.

Ich wohnte dem Abschlusskonzert der Potsdamer Bachtage bei, und wenngleich ich allen positiven Aussagen des Rezensenten voller Überzeugung beipflichten kann, fühle ich mich doch zu einer Erwiderung genötigt. Zu kritisieren sind Fehler im Text: Es gibt nur vier „Missae breves“ von Bach.

Und Anmaßungen: Die angeblich „vorlaute“ Sopranistin, deren Stimmverlauf von Bach – wie bei der Sopranstimme üblich – schlicht sehr exponiert geschrieben und von der Akustik der Französischen Kirche sehr unterstützt wurde, sang ganz zauberhaft. Zudem enthält die Rezension Ansichten und Behauptungen, die nicht dem neuesten Stand der Forschung entsprechen, was sowohl die Interpretationsgeschichte als auch die Quellenlage betrifft.

Wolfgang Schmieders Bachwerkverzeichnis ist unbestritten eine verdienstvolle und nützliche Einrichtung, jedoch, was unter anderem die Verwendung der Bezeichnung „Chor“ angeht, längst überholt, beziehungsweise von Bachs eigener Handschrift widerlegt. Auch die provokative Frage, wozu Bach „eigentlich seine Thomasschüler benutzte“, sollte sich nicht stellen, wenn die schriftlichen Zeugnisse gekannt und ernstgenommen werden: natürlich zum Singen von Motetten und älterer und einfacherer Musik, jedoch ausdrücklich nicht für konzertante Musik in Bachs Sinn und aus seiner Feder.

Dazu waren die meisten seiner Schüler schlicht zu unmusikalisch!

Noch dazu standen aufgrund der Vielzahl der zu bedienenden Kirchen nahezu niemals mehr als maximal acht Sänger für eine Aufführung zur Verfügung, von denen einige auch noch als Instrumentalisten herangezogen wurden. Dem Rezensenten sei wärmstens ein neuerliches Studium der Quellen empfohlen!

Eine umfangreiche Sammlung stellt Andrew Parrots Buch „The Essential Bach Choir“ dar. Ich wünsche mir noch viele weitere derart ambitionierte, inspirierte und authentische Aufführungen in einer solchen Besetzung in Potsdam!

Walter Donner, Leipzig