Lesermeinung: Du sollst nicht duzen

Wahrscheinlich lag es daran, dass ich ihn schnöderweise geduzt hatte! Ich bekenne mich schuldig, ich, eine gestandene Frau von 41 Jahren, hatte mich im Wort vergriffen, ,,Du", das ist sehr persönlich, man verwendet es unter Freunden, in der Familie oder, wenn man mit ganz jungen Leute – noch vor dem Teenageralter – zu tun hat. Was war geschehen? An diesem sonnigen Samstag war ich zu einer Fahrradtour aufgebrochen, die mich von Werder die B1 entlang nach Potsdam führen sollte, wo der Brandenburgtag allerlei Kurzweil versprach. Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg, staunte jedoch nicht schlecht, als mir Radfahrer auf meiner Fahrspur entgegen kamen. Aber man ist ja geduldig! Nun, obgleich ich mir sicher war, dass auf unseren Straßen keine britischen Verkehrsverhältnisse vorherrschen, kamen mir doch in später Folge Fahrräder entgegen. So wich ich aus, machte Platz, schaute geduldig. Irgendwann zweifelte ich an mir. Aber ich fuhr wirklich rechts der Fahrbahn. Ob die anderen Verkehrsteilnehmer vielleicht nicht wussten, dass man den Radweg rechts der Fahrbahn benutzt? Irgendwie kam ich an, ganz ohne Unfall, genoss die Vielfalt der Angebote des anvisierten Festes und machte mich am Nachmittag wieder auf den Heimweg. Diesmal gelang es mir nicht ganz so gut, in Anbetracht des auf mich zuströmenden Fahrradverkehrs geduldig zu sein. Als wieder ein junger Radfahrer mir auf meiner Spur entgegen kam (ich fuhr rechts der Straße stadtauswärts) und nicht auswich, sagte ich schon leicht verbittert ,,He, du fährst auf der falschen Seite!" Worauf er mir erwiderte :,,Ach halt doch die Fresse!" Wahrscheinlich lag es daran, dass ich ihn schnöderweise geduzt hatte Sabine Heinicke, Werder

Sabine Heinicke, Werder