Lesermeinung: „Ein Schundbad in peripherer Lage“
In Potsdam soll in der Georg-Herrmann- Allee im Bornstedter Feld, direkt neben der Biosphäre, bis Mitte 2012 ein neues Schwimmbad mit Familien- und Wellnesscharakter entstehenFür die Entscheidung, die Schwimmhalle am Brauhausberg zu schließen und ein Sportbad am Rande der Stadt neben der unwirtschaftlichen Biosphäre zu errichten, habe ich kein Verständnis. Erst wird eine immense Summe für die Planung mit Stararchitekt ausgegeben, um dann das Projekt auf den Scheiterhaufen zu werfen.
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In Potsdam soll in der Georg-Herrmann- Allee im Bornstedter Feld, direkt neben der Biosphäre, bis Mitte 2012 ein neues Schwimmbad mit Familien- und Wellnesscharakter entstehen
Für die Entscheidung, die Schwimmhalle am Brauhausberg zu schließen und ein Sportbad am Rande der Stadt neben der unwirtschaftlichen Biosphäre zu errichten, habe ich kein Verständnis. Erst wird eine immense Summe für die Planung mit Stararchitekt ausgegeben, um dann das Projekt auf den Scheiterhaufen zu werfen. Wird nicht von jedem Bürger verlangt, dass er erst alles Mögliche untersucht und prüft, bevor er ein Bauprojekt beginnt?
Die wahren Gründe für die Entscheidung zum Standort Biosphäre sind leicht zu durchleuchten: Die Stadt Potsdam will ein Filetgrundstück in der Mitte der Stadt höchstbietend veräußern, um kurzfristig die Stadtkasse zu füllen und Missmanagement beziehungsweise eigenes Versagen bei Planungsvorhaben zu vertuschen.
Das alles geschieht unter dem Slogan „Koste es was es wolle“. Weder die dicht gedrängte Architektur, die durch den hohen Kaufpreis den Investor zu Betonwüsten zwingt, noch die schlechte Erreichbarkeit des künftigen Bades ist den Bürgern zu erklären. Langfristig verspielt Potsdam die Chance, den zuziehenden Familien, die die Stadt zunehmend prägen, eine adäquate Freizeitinfrastruktur zu bieten, die zudem durch den meines Erachtens einzigartigen Entwurf von Oscar Niemeyer ein Wahrzeichen für die Landeshauptstadt hätte werden können. Zum Vergleich: Die Hansestadt Hamburg gibt für sein neues Wahrzeichen, die Elbphilharmonie, geschlagene 323 Millionen Euro aus, weil sie den langfristigen Gewinn anstatt die kurzfristigen Kosten sieht.
Für etwa 35 Millionen Euro wäre das Niemeyer-Bad doch ein echtes Schnäppchen, möchte man meinen. Der über 100 Jahre alte Mann hat viel Energie in dieses Projekt gesteckt. Dass es verworfen wurde, ist ein Tritt auf das Lebenswerk eines verdienten Architekten, der mit Gebäuden Emotionen weckt. Doch darum geht es nicht. Warum werden Paläste für die Politiker und Herrschenden in Potsdams Mitte mit millionenschwerer Investition errichtet, aber für die Bevölkerung nicht ausreichend Geld zur Verfügung gestellt, um Gleiches zu finanzieren?
Stattdessen wird ein Schundbad in peripherer Lage errichtet, das weder das Stadtbild prägen wird, noch über eine verkehrsgünstige Erreichbarkeit mit Hauptbahnhofanbindung verfügt, die sicher auch viele zahlfreudige Berliner nach Potsdam ins Freizeitbad gelockt hätte.
Das Leuchtturmprojekt Oskar-Niemeyer-Bad hätte Potsdam in eine höhere Ebene der Tourismusstandorte heben und das architektonische Erscheinungsbild weitreichend für die Zukunft prägen können. Aber in dieser Stadt werden nur Gelder für Museumsprojekte und alte Schlösser ausgegeben, weil man Angst vor etwas Neuem hat. Hätten die Regierenden in den Jahrhunderten zuvor ebenso gedacht, hätte es diese Schlösser nie gegeben und Potsdam würde vermutlich noch aus Lehmhütten bestehen. Es wird Zeit, dass Potsdam Neues wagt, ohne das Alte zu vergessen und damit kraftvoll ins neue Jahrtausend startet, anstatt Flickarchitektur für das Volk zu betreiben. Potsdam wächst, aber scheinbar nur für die Reichen. Ich frage mich, ob Bürgermeister Jakobs sich diese brisante Frage, die soziales Gleichgewicht und den Lebenswert einer Stadt ausmacht, vor der anstehenden Bürgermeisterwahl leisten kann. Die Antwort wird im September gegeben, und zwar vom Volk!
Guido Fründt, Stahnsdorf
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