Lesermeinung: Eine Hoffnung starb in Bayern
Zum Abschuss des „Problembären“ Bruno:Bruno ist tot. Der erste, freie Bär in Deutschland seit 170 Jahren wurde von Berufsjägern in Bayern erschossen.
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Zum Abschuss des „Problembären“ Bruno:
Bruno ist tot. Der erste, freie Bär in Deutschland seit 170 Jahren wurde von Berufsjägern in Bayern erschossen.
Wir mochten Bruno, viele mochten Bruno. Er hatte offenbar Angst vor Kühen. Das machte ihn sogar menschlich. Der Nahrungsüberfluss in den Siedlungen zog ihn magisch an. Kann man ihm das verdenken ? Über Jahrhunderte wurde die Natur auch in den Alpen verändert, ausgeräumt, geplündert. Und Skilift-Anlagen, Gipfelkreuze und Lawinen-Schutzmauern kann man eben nicht fressen.
Bis zur Küste hinauf haben die Deutschen die Nachrichten um Bruno intensiv verfolgt. Und nicht nur ausgesprochenen Naturfreunden war klar: Dieses Tier hat einen Bären-Hunger, aber geht dennoch dem Menschen aus dem Wege. Wenn man ihn nicht in die Enge treibt, stellt Bruno für den Menschen keine unmittelbare Gefahr da. Die Folge: einsetzender Bären-Tourismus im durchaus positiven Sinne. „Grizzly-Tours in Bavaria“ - warum nach Kanada oder Alaska fliegen und damit die Umwelt belasten ?
Diese zarten Ansätze vertrugen sich ohne Zweifel nicht mit dem hysterischen Geschrei von Hühnerzüchtern, mit dem Horizont und dem IQ ihrer Lieblinge, dem Gezeter von Schaf-, Ziegen- oder Kaninchen-Haltern. Trotz moderner Mikrofone und Kameras spürte man als Naturfreund geradezu die tief verwurzelte, klischeehafte Panikmache früherer Zeitalter. Dabei wurde alles auf den Eurocent von Bruno“s großzügiger Haftpflichtversicherung beglichen. Bruno“s Leben in diesem Land war finanziell geregelt, und darin ein neuer Ansatz für die Koexistenz einer gewinnorientierten Gesellschaft mit freier, ursprünglicher Natur erkennbar.
In früheren Zeiten zogen dann die Jäger, beseelt vom Auftrag einer verängstigten Bevölkerung, los, das „Untier“ zur Strecke zu bringen, - sei es ein Wolf, ein Luchs oder ein Bär. Aber hier gab es keinen einhelligen Auftrag, es gab auch keine verängstigte Bevölkerung.
Was es gab, das war ein Umweltministerium, das in Bayern oder Baden-Württemberg wohl eher Umweltzerstörungsverwaltungsministerium heißen müsste. Diese Leute haben aus Naturschutzsicht wirklich alles falsch gemacht. Betäuben, fangen, vergrämen, erschießen ? Was denn konkret, wann und wo ? Man war wohl auf die – in den Alpen immer noch naheliegende – Begegnung mit freier, ursprünglicher Natur nicht vorbereitet. Welche Amigos hat man da eingestellt ?
In den letzten Tagen müssen Wanderer und Touristen mit Amateur-Fotoausrüstung gestochen-scharfe, formatfüllende „Kuschelbär“-Bilder von Bruno zustande gebracht haben. Sie kursieren in den Medien, bis hin zu den bunten Blättern am Zeitungskiosk. Bei den besten Aufnahmen dürfte die Distanz der Fotografen - trotz moderner Fototechnik und elektronischer Vergrößerungsmethoden - deutlich unter 70 Metern gelegen haben. Kurz darauf wurde Bruno dann im Morgengrauen von einem Berufsjäger aus einer Entfernung von etwa 150 Metern erschossen. In Notwehr?
In Bayern starb in diesen Tagen wieder einmal eine Hoffnung auf einen neuen Umgang mit der Natur. Deutschland“s Jäger sind – allen ihren blumigen Beteuerungen zum Trotz – noch lange nicht soweit und wirklich bereit, an diesem neuen Zeitalter mitzuwirken.
Möglicherweise hätte man besser Wanderern und Touristen die Betäubungsinjektion für Bruno und vielleicht ein Blasrohr dazu in die Hand drücken sollen. Dann würde vielleicht der erste, seit 170 Jahren frei durch Deutschland streifende Braunbär jetzt noch leben, an einem Platz für die Natur.
Dr.Bernd-R.Paulke / Potsdam
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