Lesermeinung: Entehrt?

Mit dem folgenden Beitrag muss ich mir einfach einmal Luft mache. Deshalb hoffe ich auch, dass ich nicht alleine die von mir dargestellten Erfahrungen gemacht habe: Langte Zeit war ich immer stolz auf meine Berufe. Es war in der Zeit meiner Berufstätigkeit für mich ganz normal, dass ich mich weiterbildete, in meinem Berufsleben neue Ziele ansteuerte. Man sagte damals wie heute Qualifizierung zu solchen Vorgängen. Doch dieser Tage war ich beim Arzt und ich hatte auf einem Formular einige Angaben zu machen. Scheinbar enthielt der Fragenspiegel nur einen Punkt, der über „Wohl und Wehe“ aussagefähig macht. Statt Beruf und Tätigkeit stand nur Beruf zur Beantwortung. Nun ist es doch so: Ich kann doch eigentlich einen Beruf haben und eine ganz andere Tätigkeit ausüben. Beruf und Tätigkeit haben nur bedingt miteinander zu tun. Es ist üblich, eine Tätigkeit in einem artfremden Beruf auszuüben. Man muss sich gegebenenfalls „anpassungsqualifizieren“. Nun bin ich jedoch in der seelischen Notlage, meine Berufsbezeichnung, z. B. Dipl.-Ingenieur, nicht mehr tragen zu dürfen. Hat doch mein Hausarzt in der Rubrik „Beruf“ einfach „Rentner“ eingetragen. Damit bin ich nach 1989/90 erneut disqualifiziert worden. Rentner – ist das ein Beruf? Das ist mir neu! Da kann ich künftig nur jedes Mal verschämt einen Menschen, den ich kennen lerne, fragen, welchen Beruf er hatte, bevor er Rentner wurde. Und da kann es mir passieren, dass ich dann keinen Gesprächspartner mehr habe, weil ich ihn beleidigte. So hat mich aber auch der Bürokratenklüngel beleidigt. Er hat mich um die Früchte meines langen Berufslebens gebracht, in dem ich nun nicht mehr das bin bzw. sein darf, was ich einmal war. Aber wartet nur! Rentner?! Ich bin Rentner – wer ist mehr? Horst Kühne, Potsdam-Babelsberg

Horst Kühne