Lesermeinung: Falsch oder gar nicht erkannt
Zu: „Schulanfänger mit Sprachstörungen“ vom 22. 4.
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Zu: „Schulanfänger mit Sprachstörungen“ vom 22. 4. 2004 Auch ich beobachte, dass die Zahl der Kinder mit Sprach-, Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat und das nicht nur – wie in allen Berichten zu kindlichen Defiziten besonders betont wird – überwiegend bei sozial schwachen Familien oder Kindern, deren „Babysitter“ Fernsehen und Computer waren. Reihenuntersuchungen, die diese Defizite aufdecken, sind eine Sache, aufzuklären und Wege zur Behebung aufzuzeigen eine ganz andere. Viele Berufsgruppen, die von Eltern diesbezüglich aufgesucht werden, wissen selbst Weniges oder Falsches zu diesen Störungen. Dazu gehören oft Ärzte, Kinderärzte, öffentliche Beratungsstellen, Jugendämter, Schulpsychologen und leider voran Erzieher-/innen in Kindergärten. Demzufolge ist auch die Aufklärung. Bei einem Kindergartenkind, dass dauerhaft nicht malen oder ausschneiden will, Stuhlkreis, Rutsche oder Singen nicht mag, stimmt etwas nicht. Ich habe noch nie anderes erlebt. Da reichen Aussagen, wie „das Kind könnte, wenn es wollte“, „dass verwächst sich schon noch“ oder „es muss zu Hause mehr üben“, nicht aus. Gerade im Bereich der Wahrnehmungsstörungen hat ungenutzte Zeit in frühester Kindheit eklatante Folgen, nicht selten Lese-, Rechtschreib- oder Rechenschwäche u. v. a. Eltern werden über solche Sachverhalte fast nie aufgeklärt. Sensorische Integration (SI), Untersuchungen des Binokularen Sehens nach neuesten Methoden und ähnlich wichtiges sind im Raum Potsdam, Potsdam-Mittelmark weitestgehend auch bei Fachleuten Fremdwörter. Die SI = das Zusammenspiel der Sinne und deren ordnungsgemäße Zusammenarbeit (Hören, Sehen, Fühlen, Bewegung usw.) ist größtenteils mit dem siebenten Lebensjahr eines Kindes abgeschlossen, Störungen jedoch teilweise bereits im ersten Lebensjahr feststellbar. Je früher daran gearbeitet wird, desto erfolgreicher sind Übungen und Therapien. Auf diese SI baut schulisches Lernen auf! Bei entsprechender Anleitung können Eltern viel zur positiven Veränderung im gestörten Wahrnehmungsbereich ihrer Kinder beitragen, und obwohl eine erhebliche Zahl von Kindern mit diesen Störungen Ergo- oder Sprachtherapien erhalten, bleibt die Arbeit der SI auch hier außen vor, denn die wenigsten Therapeuten sind darin ausgebildet. Ich betreue nicht selten Kinder, die über viele Monate Sprachtherapie ohne nennenswerten Erfolg erhalten haben. Was nützen Sprachübungen, wenn die zentrale Verarbeitung zum Gehirn aufgrund mangelnder SI gestört ist? Gar nichts! Ein Kind, dass aus diesem Grund z. B. nicht richtig hört, wird auch nicht richtig sprechen können. Woher sollen Eltern solche Dinge wissen, wenn nicht von Fachleuten? Wie sollen Eltern ihren Kindern weiterhelfen, wenn ihnen niemand sagt, wie? Wer klärt sie fachmännisch über die Folgen mangelnder Bewegung und Spiel auf? Und wie sollen Eltern auf dem kürzesten Weg wenigstens herausfinden (ob sozial schwach oder nicht), welche Literatur ihnen Hilfe bieten kann? Mich suchen allzu oft Eltern auf, deren Kinder nicht vom Fernsehen/Computer aufgewachsen sind und die trotzdem solche Störungen haben. Eva Matis, Borkwalde Regionalgruppenleiterin Potsdam- Mittelmark des Bundesverbandes Aufmerksamkeitsstörung/ Hyperaktivität
Eva Matis, Borkwalde
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