Lesermeinung: Finanzkrise: Schlag nach bei Karl Marx!
Det is` die Krise - Der Karl Dietz Verlag verkauft Marx wie geschnitten Brot23.10.
Stand:
Det is` die Krise - Der Karl Dietz Verlag verkauft Marx wie geschnitten Brot
23.10. 2008
In den vergangenen Wochen verkaufte sich Karl Marx'' Hauptwerk, „Das Kapital“, stärker als im gesamten Jahr 2005. Der Berliner Dietz-Verlag muss sich nun wohl um eine Neuauflage kümmern. Wie oft hatten sie ihn schon totgesagt, den alten Marx: bürgerliche Berufspolitiker, gelackte Wirtschaftsvertreter, provinzielle Landesfürsten, Unternehmer-Präsidenten, Wende-Aktivisten in Sachsen und Thüringen. Anfang der 90er Jahre war es manchmal nicht ganz einfach, ihnen keinen Glauben zu schenken. Aber die Lage hat sich binnen weniger Monate radikal gewandelt. Orthodoxe Alt-Linke reiben sich verwundert die Augen. Man kann die Schlagzeilen kaum glauben: „Verstaatlichung von Banken und Versicherungen im Kernland des Kapitalismus“, "Privatbanken Islands unter staatliche Kontrolle genommen“, „Frankreichs Präsident fordert Verstaatlichung von Schlüsselindustrien“. Marx, Engels und Lenin lassen grüßen.
Ob das in der Zeit der Block-Konfrontation auch so passiert wäre? Weil anscheinend kein ernstzunehmender Gegner global mehr da war, begaben sich die Elite-Ameisen der Geldstaaten auf allzu dünnes Eis und brachen ein. Warnungen wurden lange konsequent missachtet. So trafen die ureigensten Hüter und Prediger des Systems dasselbige mitten ins Herz. Und nun strauchelt und schwankt es mächtig. Man sucht in alle Richtungen nach Rat. Die renommierten Wirtschaftsinstitute hatten nicht vor der Katastrophe gewarnt, sämtliche Ökonomie-Nobelpreisträger waren unverständlich ruhig geblieben. Karl Marx war immer da und hätte konsultiert werden können. Aber keiner wollte ihn hören. Nun ist der Zulauf zu ihm zwangsläufig. Die Hohepriester der Gegenseite haben diesen Zulauf selbst hervorgerufen. Ganz im Stillen war er es, der die Mechanismen der Globalisierung an der Wende zum dritten Jahrtausend am anschaulichsten erklären konnte: „Die Lohnkosten entsprechen dem Reproduktionsaufwand der “Ware Arbeitskraft““. Eben weil der Lohn der Arbeiter nicht direkt mit dem Produktionsergebnis, sondern damit zu tun hat, was Essen, Wohnen, Busfahren kosten, geht der Unternehmer nach China. Seine Anlagen laufen hier wie dort gleich. Würde er fair das Produktionsergebnis bezahlen, könnte er folglich auch zu Hause fertigen lassen. Vielleicht werden sie Karl Marx in einiger Zeit wieder für tot erklären. Vielleicht aber auch nicht. Solange noch irgendwo ein Markt marktwirtschaftlich'' beschickt und betrieben wird, dürfte man ihn wohl nicht loswerden. Nicht auszuschließen, dass in der gegenwärtigen Verzweiflung selbst seine Erz-Feinde und Neider bei Marx nach einem Ausweg aus der Krise suchen. Der Buchverkauf spricht dafür.
Dr. Bernd-R. Paulke, Potsdam-Eiche
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