Lesermeinung: Friederisiko-Ausstellung: „Erfahrungen einer Lästigen“
Dem „gemeinen Volk“ wird eher notgedrungen Eintritt gewährtVor einigen Tagen war ich mit einer Freundin und unseren insgesamt vier Kindern (8 bis 12 Jahre) in der Friederisiko-Ausstellung. Muss Mensch ja gesehen haben, wenn Mensch in Potsdam lebt.
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Dem „gemeinen Volk“ wird eher notgedrungen Eintritt gewährt
Vor einigen Tagen war ich mit einer Freundin und unseren insgesamt vier Kindern (8 bis 12 Jahre) in der Friederisiko-Ausstellung. Muss Mensch ja gesehen haben, wenn Mensch in Potsdam lebt. Allein die Kartenbestellung online war schon eine Überraschung: Familienkarten? Gibt es nicht online, nur im Verkauf vor Ort nach Verfügbarkeit. Kann also bedeuten, wir fahren auf gut Glück dahin, müssen entweder lange warten oder kommen eventuell gar nicht rein. Na super! Wir entschieden uns für die deutlich teureren Einzelkarten. Im Bewusstsein, dass wir uns unabhängig von Stau oder sonstigen Verzögerungen in einem extrem kleinen Zeitfenster von zehn Minuten einzufinden hatten, waren wir bei Nieselregen viel zu früh am Eingang und warteten auf Einlass.
Bei der Überprüfung der Karten durch einen der freundlichen Helfer bekamen wir nur die muffige Aussage: „Geht noch nicht, sind zu früh, haben Sie denn schon Ihre Audioguides?“. Nein, wir waren ja noch nicht drin. Wir mussten also erst noch ins weiße Zelt und dort alles abholen. Wieder durch den Regen. Mist. Größere Hinweisschilder wären da hilfreich gewesen.
Mit Kind und Kegel holten wir uns unsere elektronischen Museumsführer und mussten erstaunt feststellen, dass weder elektronisch, noch gedruckt, bei einer solchen Ausstellung andere Sprachen als Deutsch und Englisch vorhanden waren. Ein Armutszeugnis. Fremdschämen vor den zahlreichen ausländischen Besuchern.
Endlich in der Ausstellung fragte meine 12-Jährige, warum denn eigentlich Rollstuhlfahrer erlaubt seien, Kinderwagen dagegen nicht? Die Breite der Wege sei doch schließlich eher für die Rollstuhlfahrer ein Problem. Das ginge eben nicht und sei von der Leitung so festgelegt worden. Erschöpfende Erklärung für wissbegierige und gerechtigkeitsliebende Kinder. Ihre Frage an die Wärter, warum so penibel darauf geachtet würde, dass die Besucher auf dem auberginefarbenen Weg blieben, während die Wärter ständig auf das Parkett treten, wurde eher belächelt, als beantwortet: das sei eben nötig. Zum Glück gab es vereinzelt auch den lächelnden, warmherzigen und witzigen Wärter, der uns Hoffnung gab, dass wir doch willkommen seien. Das Gefühl, als Besucher lästig zu sein, begleitete uns durch die insgesamt wirklich tolle und absolut sehenswerte Ausstellung.
Was wäre es schön, wenn nur erwachsenes Fachpublikum ehrfürchtig durch die Gänge schritte und in Kleingruppen von drei bis fünf Personen andächtig die 70 Kabinette und Säle bestaunte. Stattdessen kommen Menschen, die auch mal lästige Fragen stellen, gerne Pause in einer nicht vorhandenen Cafeteria gemacht hätten und nach zweieinhalb Stunden kaum noch in der Lage waren, Neues aufzunehmen.
Unsere Kinder waren und sind sehr interessiert, aber je nach Raum natürlich unterschiedlich begeistert (der Hit war der Muschelsaal). Als sie einmal zwei Räume zügig durchquerten, mussten sie sich von einer Angestellten anhören, sie könnten ja wohl noch nicht alles gesehen haben und sollten nicht so schnell da durchgehen. Geschockt haben uns die Aussagen im Ausstellungsbegleitheft, einige der Exponate stammten von „SKH“ Georg Friedrich Prinz von Preußen. Meinen Kindern diese Abkürzung zu erklären, war eine Sache, ihnen aber, demokratiegewöhnt, erklären zu müssen, warum in Deutschland trotz Abschaffung der Adelstitel im Jahr 1919 ein Mann mit „Seine Kaiserliche Hoheit“ (SKH) tituliert wurde, eine andere. Diese selbstgewählte Unterwürfigkeit ist einer Landesstiftung Preußische Schlösser und Gärten unwürdig. Alles in allem hatten wir einen sehr interessanten Tag im Neuen Palais. Besonders die Darstellung des Alltags von Friedrich dem Großen und die pädagogisch ausgesprochen gekonnt überlegten Vergleiche von Einkommen der Angestellten und Preise für Lebensmittel und Kunstgegenständen hat uns sehr beeindruckt. Wir hätten uns eine größere Besucherzugewandheit gewünscht. So blieb uns nur der Eindruck, dass man uns gemeinem Volk eher notgedrungen als aus eigenem Antrieb heraus Zutritt gewähren musste.
Antje Klöckner, Potsdam
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