Lesermeinung: Für ein demokratisches Geschichtsverständnis: Garnisonkirche ohne „Garnison“
Kniefall vor Max Klaar, 19.1.
Stand:
Kniefall vor Max Klaar, 19.1.
In einem Abweichen vom abgedruckten Manuskript stellte Schönbohm klar, dass Treue und Redlichkeit auch bedeuten, dass man nicht käuflich ist und, dass man andere nicht kaufen sollte. Daraus kann ich keine Neigung zum Kniefall herauslesen. Man kann Misstrauen auch herbeireden. Ich nehme an, dass es dem Autor nicht schnell genug mit dem Wiederaufbau der Garnisonkirche geht.
Reinhard Schöneich, Potsdam
Nichts ist wichtiger als Rückbesinnung 18.1.
Lieber Herr Schönbohm, ich habe Ihre Rede zu den preußischen Tugenden verinnerlicht. Ich bin verwundert über Ihren Versuch zu deren „Renaissance“: Die Garnisonkirche gehörte zum preußischen Miliärbegriff. Die von Ihnen genannten preußisch-protestantischen Tugenden galten für die damaligen Herrschaftsverhältnisse: hier Herrschaften, dort Gesinde, Soldaten und Bevölkerung. Die letzteren nahmen sich die Tugenden zu Herzen. Sie wissen, wie die Verwendung der Tugendbegriffe von nachfolgenden Befehlshabern und Herrschern für deren Zwecke pervertiert wurde: Treue, Gefolgschaft, Disziplin wurden schamlos von ganz oben und von der regierungstreuen Schicht verwendet, um Gefolgschaften für Macht, Soldatentum und, später, die schlimmsten Menschenvernichtungen am Funktionieren zu erhalten. Mein Verbesserungsvorschlag für die Garnisonkirche ist einfach: Die protestantischen Tugenden sollten durch die Kirche am Leben erhalten werden. Die Garnisonkirche sollte ihren Namen ohne „Garnison“ erhalten und damit für ein demokratisches und ein tugendkritisches Geschichtsverständnis repräsentativ werden.
Peter Richert-Daniels, Potsdam-Neu Fahrland
Nicht nur ein Kniefall
Der Autor ruft zum Disput auf. Mit Recht bezeichnet er die Rede als „Lobgesang“, mehr noch: Es handelt sich um einen Lobgesang mit Misstönen. In einer Lobrede auf die preußischen Tugenden die wichtigste Tugend, die Toleranz, wegzulassen, wirft Bedenken und Fragen auf. Gerade diese preußische Toleranz, manifestiert im Toleranzedikt von 1685, muss uns doch heute so wichtig sein. Ja, sie kann helfen, die komplizierten aktuellen Probleme, unter anderem die Glaubenseingliederung und Traditionsakzeptanz zwischen Christen und Moslems, Emigranten, Jugendkriminalität mit differenziertem Hintergrund pragmatischer zu lösen. Die im Redetext hervorgehobene These: „Es gibt kaum wichtigere Tugenden als die preußischen“ wirft bei mir viele Fragen auf. Hat der Autor eine wichtige preußische Tugend, die Bescheidenheit auch bewusst vernachlässigt? Geschmacklos erscheint mir die Formulierung: „Maßlosigkeit und großprotziges Auftreten wurde in Preußen schon immer verabscheut.“ Allein am Beispiel des Neuen Palais lässt sich diese Behauptung ad absurdum führen. Nach dem Siebenjährigen Krieg galt die Sorge des Königs nicht den vom Hungertod bedrohten Bauern und der ruinierten Bürgerschaft, sondern seinen Prachtbauten. Eine „Rückbesinnung allein auf alte preußische Tugenden“ ist nicht nur ein Kniefall vor Klaar, sondern stellt vielmehr keine ausreichende Orientierung für uns heute dar.
Dr. E. Turek, Potsdam
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