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Lesermeinung: G8-Gipfel: Erfahrungsbericht eines friedlichen Demonstranten

Überzeugt davon, am richtigen Ort zu seinUm 4.30 Uhr klingelte der Wecker.

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Überzeugt davon, am richtigen Ort zu sein

Um 4.30 Uhr klingelte der Wecker. Vom Potsdamer Bassinplatz fuhren vier Busse um 6 Uhr in Richtung Rostock. Presse und Fernsehen waren mit im Bus, fanden allerdings wenig Anklang bei den Mitfahrenden. Gesenkte Köpfe vor der Kamera und kleinere Auseinandersetzung über die Pressefreiheit erstaunten mich, denn im Prinzip sollte doch heute eine Menge gesagt werden. Die erste Frage: „ Warum demonstriert ihr gegen ein Zusammentreffen der Industriemächte?“ Gute Frage. Warum bin ich mitgefahren? Zum einen war da natürlich eine gewisse Neugier, wie Millionen Euro für den Schutz des Gipfeltreffens ausgegeben werden. Zum anderen bemerkte ich schon seit einiger Zeit, dass es politische, wirtschaftliche und globale Themen gab, die mich sehr wütend machten.

Den „Zaun“ konnte man von Rostock aus nicht sehen, aber tausende Menschen jeden Alters und aus allen Bevölkerungsschichten. Unser Demonstrationszug mit etwa 10 000 Teilnehmern zog in Richtung Rostocker Hafen und wurde von nur wenigen Polizisten und Anti-Konflikt-Managern begleitet. Mit musikalischer Untermalung, Transparenten und in Kostümen wurde auf Themen wie Migrationsrechte, Klimawandel und Notstände in der Welt aufmerksam gemacht. Als wir später auf dem riesigen Platz mit der Musikbühne eintrafen, war ich überrascht, wie friedlich diese riesige Demo mit zirka 80 000 Teilnehmern ablief und, dass selbst Familien mit Kindern und sehr alte Menschen ihre Stimme gegen eine Welt heben wollten, in der die Macht und die Entscheidungsgewalt in wenigen Händen liegt. Das Eintreffen eines weiteren Demonstrationszuges führte bei mir dazu, dass ich am Abend wütend und genervt über die Wende dieses Tages nach Hause fuhr. Die TV-Nachrichten zeigten genau diese Bilder und ich will nicht auseinandernehmen, was genau zu dieser Eskalation führte. Es gab aber zwei Demos an diesem Tag, die unglücklicherweise am selben Ort stattfanden. Eine, die mit Tränengas und verbrannten Autos endete und eine, die mir meine Augen geöffnet hat. Von der ich überzeugt bin, dass jeder Mensch Gründe findet, mit auf die Straße zu gehen – es gab eine Vielzahl von Problemen gegen die an diesem Tag demonstriert wurde. Wir kennen die Probleme, wir haben die Technologie, das Geld und die Möglichkeiten gegen sie vorzugehen, aber es wird nicht getan. Ich zweifle, ob es dieses Jahr anders wird, aber ich bin überzeugt, dass ich an diesem Tag am richtigen Ort war.

Tim Winke, Potsdam

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