Lesermeinung: „Geringere Regelgeschwindigkeiten erhöhen eher den Verkehrsfluss“
Zu: „Viel Kritik an neuem Verkehrskonzept für Potsdam“, 18.1.
Stand:
Zu: „Viel Kritik an neuem Verkehrskonzept für Potsdam“, 18.1., und: „Geklärt: Die Tram-Trasse zum SAP-Center“ sowie zum Interview „Kein Tempo 30 – ich begrüße das“, 17.1. 2012
Die Stadtverwaltung will nach Jahren der Bevorteilung des Autoverkehrs endlich Politik für die Mehrheit der Verkehrsteilnehmer in Potsdam machen. Aber die Lobby des Autoverkehrs holt bereits zum Gegenschlag aus. Die SPD will unbedingt ihr Wahlversprechen vom dritten Havelübergang einlösen. Dessen fraglicher verkehrlicher Nutzen, die völlig offene Finanzierung und der erhebliche Widerstand aus den betroffenen Wohngebieten scheinen da nicht zu stören. Eine Bürgerbefragung soll jetzt den Durchbruch bringen. Man kann nur hoffen, dass die Mehrheit der Potsdamer Bevölkerung schon gedanklich weiter ist. Neue Straßen werden neuen statt weniger Verkehr bringen. Eine ökologische Verkehrspolitik nimmt zuerst die Alternativen in Augenschein. Aber die SPD will den Showdown – nicht die Diskussion zu Alternativen. Enthusiasmus für den Ausbau des Tramnetzes muss sie erst noch entwickeln. Die CDU-Kritik am Verkehrskonzept hört sich an, als käme sie direkt von einem privaten Busunternehmer. Befürchtet dieser etwa Nachteile für sein Geschäft, wenn es irgendwann mehr Tramlinien gibt? Soll die Bevorteilung des Autoverkehrs fortgesetzt werden? Die Christdemokraten reden andauernd davon: Die Stadt müsse sparen. Aber wenn es um Einnahmenerhöhungen geht, wie die Parkgebühren
an die vergleichbar großer deutscher Städte anzupassen, dann halten sie
das für „unannehmbar“. Da es offenbar keine sachlichen, sondern nur emotionale Argumente gegen Tempo 30 gibt, behauptet der Präsident der IHK Volker Stimming im PNN-Interview, bei einem derartigen Tempolimit würden mehr Staus entstehen. Jedoch: Geringere
Regelgeschwindigkeiten erhöhen eher den Verkehrsfluss. Entscheidend für
Verkehrsstau oder -fluss ist letztlich
die Gestaltung von Verkehrsknotenpunkten und nicht die Geschwindigkeit.
Sollten die Pförtnerampeln nicht den
gewünschten Erfolg für die Luftreinhaltung haben, wird man sowieso noch
einmal über die Einführung von Tempo 30 auf großen Potsdamer Straßen diskutieren müssen. Vielleicht ist ja irgendwann eine sachliche Diskussion zu dieser Frage möglich. Ökologische Verkehrspolitik hat in der Stadtpolitik leider immer noch sehr wenige Freunde. Das ist insbesondere zum Nachteil der Anwohner an den großen Straßen in Potsdam.
Nils Naber, Potsdam
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