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Lesermeinung: Geschichtslektion

Deutsche Denker in einem russischen Lazarett Als 17-jährige Frankfurterin arbeitete ich Ende Mai 1945 in dem sowjetischen Lazarett für deutsche Kriegsgefangene. Ich hatte die Aufgabe, russischen Frauen beim Säubern des Operationssaales zu helfen und war während der Arbeit der Ärzte im Saal anwesend.

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Deutsche Denker in einem russischen Lazarett Als 17-jährige Frankfurterin arbeitete ich Ende Mai 1945 in dem sowjetischen Lazarett für deutsche Kriegsgefangene. Ich hatte die Aufgabe, russischen Frauen beim Säubern des Operationssaales zu helfen und war während der Arbeit der Ärzte im Saal anwesend. Der russische Chefchirurg gab in russischer Sprache die Aufgaben an die Schwestern, unterhielt sich aber während er operierte in deutscher Sprache mit mir und fragte mich nach Goethe, Schiller und anderen deutschen Persönlichkeiten. Ich konnte Gedichte zitieren, Lieder nennen und war erstaunt, dass er so viel Interesse zeigte. Einmal fragte er mich: „Inga, kennst du Clausewitz?“ und ich antwortete, froh, dass ich auch zu dieser Persönlichkeit aus der deutschen Geschichte Auskunft geben konnte: „Ja“ und zitierte: „Ich glaube und bekenne, dass ein Volk nichts höher zu achten hat als die Würde und Freiheit seines Daseins und dass es diese bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen hat“. Der russische Chefarzt schwieg einen Augenblick, sah mich an und sagte dann: „Ja, Inga, das haben wir auch gedacht". Noch heute bin ich diesem wunderbaren Menschen zu tiefem Dank verpflichtet. Ingeburg Henrich, Potsdam

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