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Lesermeinung: Graue Schultüte

„Versüßtes Grausen“, 10. August 2006Vielen Dank für Ihren Hinweis.

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„Versüßtes Grausen“, 10. August 2006

Vielen Dank für Ihren Hinweis. Die Ausstellung „Tradition der Schultüten“ im Stern-Center ist eine gelungene Schau, die mich zu Erinnerungen anregte. 1911 wurde meine Mutter in die Mädchenschule in der Kurfürstenstraße eingeschult, wie damals üblich im Matrosenkleid. 1944 wurde meine Schwester in die Gemeindeschule I (Alte Königstraße, heute Friedrich-Engels-Straße) eingeschult. Ihre Schultüten waren sehr dürftig gefüllt – es war das fünfte Kriegsjahr. Diese erhielten die Schulanfänger am Gemeindehaus, nach einer kurzen Ansprache von Pfarrer Iwer. Von meiner Einschulung, 1947 in die Mädchenschule III (Heinrichstraße 11, heute Clara-Zetkin-Straße), gibt es kein Bild – als Ausgebombte besaßen wir keinen Fotoapparat mehr. Aber ich weiß noch, dass meine Schultüte aus grauem Papier war und so aussah wie die heutigen Mehltüten. Sie enthielt Kekse und Bonbons. Als ständig hungriges Kind war ich sehr glücklich darüber. Von meiner Mutter weiß ich, dass auf Anordnung der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) für jeden Schulanfänger 250 Gramm Mehl und 250 Gramm Zucker bereitgestellt wurden. Die Kekse hatten die Mütter selbst gebacken. Schade, dass in der Ausstellung keine Fotos von Potsdam zu finden waren. Als Sammlerin aller Potsdamer Schulbilder, mit einem beachtlichen Fundus, bin ich davon überzeugt, dass viele Potsdamer etwas beisteuern könnten. Eine Frage stellt sich mir: Wo ging Lothar Binger zur Schule, dass ihn sein Lateinlehrer noch in den 50er-Jahren verprügeln durfte? In Potsdam war die Prügelstrafe seit 1945 verboten.

Katrin Hanusch, Niemegk

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