Lesermeinung: „Grundschulkinder brauchen verlässliche Partner“
Zu: „Ganztagsschule in Babelsberg?“, 22.
Stand:
Zu: „Ganztagsschule in Babelsberg?“, 22.6. Die Situation in Babelsberg ist ein Skandal. Es ist zu einfach, den schwarzen Peter der Schulleitung zuzuschieben. Tatsache ist, im engeren Schulrahmen hat sich in den vergangenen Jahren eine Menge zum Positiven gewendet. Aber das reicht nicht, denn die Grundschulkinder brauchen verlässliche, miteinander kooperierende Partner für ihren gesamten Lebensalltag. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Es gibt zu viele Beteiligte, die ihre eigenen Interessen, Unfähigkeiten und Sachzwänge auf dem Rücken der Kinder austragen. In alphabetischer Reihenfolge: Die AWO, die es seit der Übernahme des Horts aus städtischer Trägerschaft nicht geschafft hat, ein verlässlicher Partner zu werden. Chaotische „Last-Minute-Organisation“ vor jedem neuen Schuljahr, Konzepte und Organisationsformen, die sich zunächst gut anhören, aber nicht eingelöst werden (können). Viel zu enge, zergliederte Räumlichkeiten, in denen die unterschiedlichen Tagesrhythmen von Schul und Kindergartenkindern aufeinander prallen. Erzieher, die so häufig und unvermittelt wechseln, dass auch sie nicht zu verlässlichen Partnern der Kinder werden können. Eine Leitung, die zwar Gespräche mit Schule und Eltern führt, die aber offensichtlich nicht an den Entwicklungen auf AWO Bezirksebene beteiligt ist und deshalb mangels Information nicht wirklich kooperieren kann. Die zuständigen Behörden sind seit Jahren nicht in der Lage sich bei der Bedarfsplanung abzustimmen und korrekte Zahlen frühzeitig zu ermitteln und offen zu legen. Die Vermutung liegt nahe, dass abgestimmte Zahlen unter dem Diktat des Sparens gar nicht erwünscht sind, denn dann wäre der Handlungsbedarf ja offensichtlich. Im Konfliktfall, so geschehen im Rathaus Babelsberg, wird entweder (wie das Jugendamt) wortreich eigenes Unvermögen kaschiert, oder (wie das Schulverwaltungsamt) man nimmt erst gar nicht an der Diskussion teil, oder (Landesjugendamt) man lässt über Dritte eine Ausnahmeregelung in Aussicht stellen. Alles in der Hoffnung, dass der Ärger der Eltern über die Ferien schon verebben wird. Die demokratischen Kontrollgremien können natürlich nur so gut sein, wie die Zuarbeit und der Sachverstand der zuständigen Verwaltungsorgane. Aber was hindert die Vertreter in der Stadtverordnetenversammlung daran, die Prioritäten in dieser Stadt in Frage zu stellen und „Kinder und Bildung“ weiter oben anzusiedeln. Stattdessen werden städtische Institutionen in freie Trägerschaft geschoben, um vordergründig einige Euro zu sparen. So war das beim städtischen Hort an der Bruno-H.- Bürgel-Schule und so ist es jetzt beim unausgegorenen Übergang des Kulturhauses in Babelsberg an die AWO. Der Hort damals war nicht gut, aber die Alternative ist heute auch nicht viel besser. Die Babelsberger Eltern sind sicher auch an der Situation beteiligt. Sie sind dreigeteilt: Die erste Gruppe hat von vorneherein den Schulstandort Babelsberg abgeschrieben und schickt ihre Kinder zu den verschiedenen Grundschulen der freien Träger. Die zweite Gruppe hat kein Interesse und keine Zeit. Die dritte Gruppe unterstützt seit Jahren die konzeptionelle Neuorientierung des Schulstandorts. Viel Kompetenz, Engagement und viel Lösungspotential geht hier verloren, wenn, wie durch die AWO geschehen, über die Köpfe hinweg entschieden wird. Das ist schade und kann im Interesse der Kinder nicht hingenommen werden. Schließlich die Schule selbst: Gefesselt an bürokratische Entscheidungen, die sich in den wenigsten Fällen am Wohl des einzelnen Kindes orientieren. Räume, die nur mit viel Engagement zu schönen Orten des Lernens renoviert werden können. Eine Lehrerschaft, die durchsetzt ist mit im Dauerstress ermüdeten Kolleginnen „alter Schule“ und die von Schuljahr zu Schuljahr in Gefahr gerät, durch unmotiviert herversetzte Lehrer aus allen Landesteilen geschwächt zu werden. Eine Schulleiterin, die jahrelang kommissarisch allein die Arbeit erledigen musste und die noch heute keine Stellvertreterin hat. Wen wundert es da, dass für Überlegungen hin zu einer Ganztagsschule wenig Energie da ist. Alle diese Beteiligten müssen nach Lösungsansätzen suchen. Die Ganztagesschule ist dabei ein interessanter Ansatz. Zum Wohle der Kinder in die Wirklichkeit umgesetzt werden kann so ein Konzept aber nur, wenn alle Beteiligten sich bewegen. Es braucht den unbedingten Willen zur Kooperation, zum verlässlichen Miteinander. Die bisher angebotenen Lösungen führen nicht aus der Misere. Horst Furtner, Potsdam Zu „Ganztagsschule in Babelsberg?“, 22.6. Mit Erschrecken haben wir, Erzieherin mit 35 Berufsjahren, und ich als Ausbildungsingenieur, den Artikel gelesen. Hier spiegelt sich die ganze traurige Situation der Kinderbetreuung und der Schule wieder. Der Rahmen, den unsere heutige Gesellschaft diesem wichtigen Teil des Staates bietet, zeigt sein vollständiges Versagen. Wenn Lehrer befürchten müssen, dass tobende Kinder Lehrmittel zerstören, dann zeigt es, dass Lehrer heute nur begrenzte Möglichkeiten haben, erzieherisch zu wirken. Das wird sich erst dann ändern, wenn Ordnung und Disziplin, die Grundlage jeder Lernbereitschaft, nicht mehr gesellschaftlich als Gängelung propagiert wird. Obwohl Teile der Schulabgänger auf Grund von Kenntnismangel und Lernverweigerung gleich im staatlich-sozialen Netz landen, sieht die Politik keinen Handlungsbedarf. Wenn dann in Gruppen 35 Kinder jeglichen Alters auch noch gleichzeitig betreut werden sollen, ist das Lernen und Erziehen nur noch Fantasie, zumal bei einem Spielraum, der von 3,5 auf 2,5 Quadratmeter reduziert wird. Das ist nur ein „Kinderaufbewahrungsort“. Annelies und Werner Latzke, Potsdam
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: