Lesermeinung: „Hamburger Appell“
Initiative Neue soziale Marktwirtschaft Die markigen Thesen des „Hamburger Appells“ von 250 Wirtschaftsprofessoren sollen dem Leser klarmachen, dass wir mehr Wohlstand (für wen?) brauchen und dass „unser“ Lebensstandard selbstverständlich gesteigert werden muss.
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Initiative Neue soziale Marktwirtschaft Die markigen Thesen des „Hamburger Appells“ von 250 Wirtschaftsprofessoren sollen dem Leser klarmachen, dass wir mehr Wohlstand (für wen?) brauchen und dass „unser“ Lebensstandard selbstverständlich gesteigert werden muss. Dazu ist die ungehemmte Globalisierung – gemeint ist natürlich nur die der Märkte – nötig und wird weniger „Staat“ gefordert, der nur als Behinderer von Unternehmertum und Störer der freien Marktentwicklung dargestellt wird; Gewinne sind Privatsache, während Verluste an den Staat, und sei es in Form von Steuerminderungen, weitergereicht werden. Obendrein wird uns suggeriert, dass Unternehmen keine Aussicht auf Gewinne hätten (wie können dann Millionen Euro an Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte gezahlt werden?) und dass Einschnitte in das Sozialsystem nicht bereits stattgefunden hätten. Nein, Sozialleistungen müssen eingeschränkt werden und Billiglöhne sind notwendig. Ein Professor kann sich eben nicht vorstellen, dass jemand kein Einkommen hat, sondern es geht nur darum, es durch Sozialleistungen zu ergänzen. Dafür kann er Binsenweisheiten zur Staatsverschuldung und zur Bildung als „Thesen“ etikettieren und Aufrufe zum Kaputtsparen als der Weisheit letzter Schluss propagieren. Solche Leute sollten wirklich einmal versuchen, ein halbes Jahr von Sozialleistungen zu existieren. Aber die hier vertretenen Auffassungen stimmen auffallend mit den vom Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK) geforderten umweltresistenten Reformen überein: Es werden Innovationen beschworen und wo sie bereits in Gang gekommen sind, werden sie ignoriert oder gar als wachstumshemmend und subventionsträchtig verunglimpft. Solche einseitigen Ratschläge sind auch in Wahlkampfzeiten nicht hilfreich, wenn sie nicht mit solchen von Sozialwissenschaftlern oder anderen Fachleuten ins notwendige Gleichgewicht gebracht werden. Joachim Briesemann. Potsdam
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