Lesermeinung: „Jetzt aber raus!“
Kontrolleur schlägt ViP-Fahrgast, 23.4.
Stand:
Kontrolleur schlägt ViP-Fahrgast, 23.4.
Die Tätlichkeit eines ViP-Mitarbeiters gegenüber einem Fahrgast ist leider kein Einzelfall. Im Juni letzten Jahres traf es unseren damals zehnjährigen Sohn: Ein Straßenbahnfahrer schlug dem vorne einsteigenden Jungen die Tür seiner Fahrerkabine gegen den Kopf, stieß ihn dann mit dem Ausruf „Jetzt aber raus!“ die Einstiegstreppe hinunter, schloss die Türen und fuhr ab. Was war geschehen? Nichts, was diese Aggression erklären könnte: Unser Kind war auf dem Weg zur Schule mit einem Freund in den Anhänger der Tatra-Bahn gestiegen. Um beim Umsteigen am Platz der Einheit den Weg von der Haltestelle „Am Kanal“ nach „West“ abzukürzen, wollten die beiden eine Station vorher in den vorderen Wagen wechseln. Nach ihrem Aussteigen waren die Türöffner bereits gesperrt, so dass sie zur vordersten Tür rannten, wo gerade ein anderer Fahrgast einstieg.
Als unser Sohn noch hinter diesem in die Bahn sprang, überraschte ihn der Fahrer mit der geschilderten Attacke. Erst als der Junge nachmittags über Anzeichen einer Gehirnerschütterung klagte, war er in der Lage, über das Erlebte zu sprechen. Unsere telefonische Beschwerde beim ViP wurde sehr nüchtern aufgenommen und beantwortet. Es gab zwar eine förmliche Entschuldigung und als Wiedergutmachung das Angebot einer Betriebsführung für unseren Sohn – aber keine Worte echten Bedauerns. Vielmehr schwang bei allen Erklärungen der Vorwurf mit, dass der Junge bestimmt nicht ganz unschuldig am Verhalten des Fahrers war. So heißt es in dem Antwortschreiben: „Die Vorgehensweise unseres Fahrers ist als Reaktion auf ein kindliches, übermütiges Fehlverhalten völlig inakzeptabel“. Unser Sohn, der ein eher stiller, zurückhaltender Junge ist, war sich keines Fehlverhaltens bewusst. Wir haben bezüglich seiner Schilderungen volles Vertrauen zu ihm. Wie uns eine ViP-Mitarbeiterin am Telefon verriet, wurde der Vorfall durch eine entsetzte Zeugin bestätigt, die sich ihrerseits beim ViP über den Fahrer beschwert hatte. Tagtäglich Busse und Bahnen durch die Stadt zu lenken, mag mit hohen Belastungen verbunden sein. Aggressivität und Tätlichkeiten gegenüber Fahrgästen dürfen sich die ViP-Mitarbeiter trotzdem nicht leisten, sonst sind sie für die Öffentlichkeit nicht tragbar.
Hilke Würdemann und Peter Neideck, Potsdam
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