Lesermeinung: „Kastrierte“ Überschrift
„“Feminismus“ war einmal“, 9.3.
Stand:
„“Feminismus“ war einmal“, 9.3.2007
Der Teufel steckt im Detail. Wer wichtige Details weglässt, muss damit rechnen, falsch interpretiert zu werden. Das fehlende Detail in dieser Überschrift – die als Aussage in der Tat aus meinem Munde stammt – ist die fehlende zweite Hälfte des Satzes, und der lautete: „Was jetzt angesagt ist, ist “Gender Mainstreaming““. Um bösen Überraschungen vorzubeugen, hatte ich vorsichtshalber erklärt, was man darunter versteht: Die gesetzlich verankerte Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen der Gesellschaft.
In der „kastrierten“ Überschrift – viele Leute lesen ja nur die – scheint sich ein verborgener Wunsch auszudrücken: Dass jetzt endlich Schluss ist mit dem Gemecker. Dass aus berufenem Munde, von einer Frau, die den Frauen sagt: Schluss mit lustig! Ihr habt mehr als genug erreicht. Feminismus ist ein Märchen. Dabei hat der Autor in unserem Interview sehr genau verstanden, was die Botschaft war. Warum also diese reißerische Verkürzung?
„Feminismus“ war unerlässlich für ein verändertes Selbstbild und Rollenverständnis der Frau, für Nachbesserungen in der Gesetzgebung, für eine schrittweise Abschaffung zum Himmel schreiender Ungerechtigkeiten, die längst noch nicht bewältigt sind. Wenn das Wort jetzt durch umfassendere Begrifflichkeiten ersetzt wird, dann deshalb, weil der einstige Alleingang der Frauen inzwischen von vernünftigen Männern mitgetragen wird und in tagespolitische Forderungen einfließt, wie die der Familienministerin. Vieles muss aber noch getan werden. Dazu gehört auch etwas scheinbar Banales: Unter dem einen Foto steht „Rosen für die Damen“. Das erinnert auf beklemmende Weise an das „Damenprogramm“ bei wirtschaftlichen oder politischen Veranstaltungen – offenkundige Beschwichtigungsversuche für die, die nichts zu sagen haben, die sich mit Anstand langweilen müssen, die von den ernsten Dingen dieses Lebens angeblich nichts verstehen. Auch wenn es nicht bewusst so gemeint ist: Dies alles sind Botschaften, die sagen: „Lasst euch wieder “Damen“ nennen und in den Mantel helfen, verabschiedet euch von diesem grässlichen Wort “Feminismus“, seid zufrieden, wenn wir euch einmal im Jahr Rosen schenken. Ich will nicht ungerecht sein: Alles in allem hat der Artikel die Inhalte des Gesagten nicht verkehrt wiedergegeben. Aber der patriarchalische Teufel sitzt im Detail. „Und mit Worten“, sagt Mephisto in Goethes „Faust“, lässt sich trefflich streiten. Ich halte es lieber mit Schiller : „Der Worte sind genug gewechselt. Lasst mich nun endlich Taten sehn“.
Elke Liebs, Vorstandsfrau Frauenzentrum Potsdam
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