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Lesermeinung: Konzert anders erlebt

Zu: „Jasager. Vocalise: Lehrstücke der Unmenschlichkeit“, 10.

Stand:

Zu: „Jasager. Vocalise: Lehrstücke der Unmenschlichkeit“, 10.11. 2009

Das von der Autorin sehr kritisch beurteilte Eröffnungskonzert der Vocalise kann man auch ganz anders erlebt haben. Ungewöhnlich ist es allemal, wenn die beiden Brechtopern, die keine ausdrücklich christlichen Inhalte vermitteln, in einer Kirche aufgeführt werden. Dennoch habe ich den Bach-Choral aus der Johannespassion, mit dem das Konzert endete, noch niemals als so aufrüttelnd und gleichzeitig versöhnlich gehört. Es ist keinesfalls plumpe Propaganda, die in diesen Brechtwerken hörbar wird. Im „Jasager“ wird ein „Einverständnis“ in einen geradezu absurden Brauch gefordert– der Zuschauer ist nicht einverstanden, kann es nicht sein, ist verstört, aufgewühlt. Das Nein wird über das durchgespielte Ja errungen. Auch wenn Brecht sich genötigt sah, mit dem „Neinsager“ eine andere Version zu schreiben, so bleibt doch die Aufforderung dieselbe: „in jeder neuen Lage neu nachzudenken“, sich nicht der Konvention zu beugen. Ausgehend von dem Leid der Menschen, die arm, krank, unterdrückt sind, wird nach Lösungen gesucht – als eine Lösung erschien der Kommunismus. Die aufrichtige Suche nach einem Ausweg aus dem Leid der Menschen, teilte sich in diesem Konzert mit, eine Suche, die das Mitfühlen und das Denken herausfordert, und die in der Sehnsucht nach „Abrahams Schoß“ mündet, mit dem „die Rückkehr aller Menschen zur Quelle ihrer Brüderlichkeit gemeint sein könnte“, wie Ud Joffe in seinem einleitenden Text es ausdrückt. „Die Widersprüche sind unsere Hoffnung“, sagte Bert Brecht. Die Erlösergemeinde hat diesem Konzert zugestimmt, möglicherweise gerade aus ihren Erfahrungen heraus, wie schwierig Widerspruch zuweilen errungen werden muss, wie mutig und neu gedacht werden muss, auch und gerade in der Institution Kirche. Ich möchte mich dafür bedanken – es war ein unendlich interessantes wie auch wieder einmal musikalisch mitreißendes Konzert.

Gabriele Markarian, Potsdam

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