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Lesermeinung: „Kranke Kasse“

Zu: „AOK: Junge Ärzte für ein Jahr im Osten zwangsverpflichtet“, 8.10.

Stand:

Zu: „AOK: Junge Ärzte für ein Jahr im Osten zwangsverpflichtet“, 8.10. Die Forderung des Johann-Magnus von Stackelberg (Vizevorsitzende des AOK-Bundesverbandes), Ärzte nach 13-jähriger Schulzeit, elfjähriger Berufsausbildung und gebenenfalls noch Wehr- oder Zivildienst im ostdeutschen Lande zwangszuverpflichten, zeigt, dass es sich bei der AOK um eine kranke Kasse handelt, die jeglichen Bezug zur bitteren Realität in der medizinischen Basisversorgung unseres Landes verloren hat. Erlauben Sie mir hierzu einen Vergleich: Stellen Sie sich vor, Sie seien ausländischer Bäcker und wollten in Deutschland Brot verkaufen. Da sagt Ihnen die Bäckerinnung: „Kein Problem, verkaufe Dein Brot, aber Du bekommst dafür kein Geld, sondern Punkte: Ein Brötchen drei Punkte, ein Brot 12 Punkte .... Den Wert eines Punktes regeln wir per Vertrag. Das Geld für die Punkte bekommst Du in einem halben Jahr ausgezahlt.“ Wenn der Bäcker das Brot nun verkaufen will, sagt die Bäckerinnung: „Verkaufe ruhig Dein Brot, aber ab dem neunhundertsten Kunden bekommst Du nur noch ein Zehntel des Punktwertes pro verkauftes Brot.“ Der Bäcker begehrt nach einem halben Jahr des Wartens und Bezahlens von Angestellten, Lehrlingen, Arbeitsmaterial und Miete auf Kredit endlich das Salär, da sagt die Bäckerinnung: „Leider können wir nicht den versprochenen Betrag von 5,1 Cent pro Punkt bezahlen, sondern nur 1,5 Ct.! Deine Bäckerkollegen haben nämlich viel zu viele Brote verkauft, mehr als sie eigentlich dürften." Darauf antworten Sie als Bäcker: „Aber liebe Innung, es gibt Tag für Tag immer weniger Bäcker im Land, die machen alle rüber in den goldenen Westen, die Menschen haben trotzdem Hunger und somit hat jeder Bäcker immer mehr Kunden! Außerdem kann ich mit 1,5 Ct. pro Punkt nicht einmal mehr meine Angestellten bezahlen! Was soll ich nur machen?“ Da sagte die Innung: „Ist mir wurscht, Bäcker, geh zur Bank, die leiht Dir was!“. Tauschen Sie bitte die Begriffe Bäcker gegen Arzt, Brötchen gegen ärztliche Behandlung, Kunde gegen Patient, Laden gegen Arztpraxis und Innung gegen AOK und Sie haben die Situation der Hausärzte praktisch vor Augen. Dieses ist eine Ursache, weswegen wir einen zunehmenden Mangel an Hausärzten haben, und zwar bundesweit! Dieses ist eine Ursache, weswegen mittlerweile 40 Prozent der frisch approbierten Ärzte nicht mehr in der kurativen Medizin tätig sind. Dieses ist ein Grund dafür, dass etwa 12000 bis 16000 auf Kosten des Steuerzahlers ausgebildete Ärzte im Ausland arbeiten. Eine Kassenarztpraxis kann von dem reinen Kassensalär mit Mühe und Not überleben. Wirtschaftlich tragfähig ist sie erst durch die Privatpatienten. Diese fehlen auf dem Lande und machen somit eine Niederlassung zu einem wirtschaftlichen Risiko. Im Übrigen sei noch erwähnt, dass es sich bei dem Ärztemangel im Osten um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt. Die Landflucht betrifft sämtliche Berufsgruppen. Ganze Ortschaften verwaisen, in manchen ehemals kinderreichen Orten ist der jüngste Einwohner 14 Jahre alt. Die Infrastruktur ist marode und das Angebot an wohnortnahen Schulen und Kitas ist katastrophal. Arbeitsplätze werden abgebaut, neue Arbeitsplätze entstehen kaum. Und die AOK betreibt aktive Arbeitsplatzvernichtung in Ostdeutschland, indem sie ihren Versicherten empfiehlt, sich den Zahnersatz in Polen oder Tschechien anfertigen zu lassen, mit dem Erfolg, dass mittelständische Betriebe wie Dentallabors demnächst schließen können. Dr. Med.. F. Krimphove, Dallgow

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