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Lesermeinung: Landtagsneubau in der Potsdamer Mitte: „Undemokratisches Gezerre“, anteilige Finanzierung durch Sponsoren und mit Geduld am Original festhalten

„Geschafft – Landtagsneubau in der Potsdamer Mitte“, 1. Februar 2007Jawohl!

Stand:

„Geschafft – Landtagsneubau in der Potsdamer Mitte“, 1. Februar 2007

Jawohl! Wir Bürger haben es hinter uns, dieses unwürdige, undemokratische Gezerre um den Bau eines neuen Landtages. Oder glaubte wirklich jemand, dass dieser nicht gebaut würde? Hätte es im vierten Anlauf nicht geklappt, dann bestimmt im fünften. Es ist beschämend für eine Demokratie, was hier ablief. Sehr gut kommentiert wurde das im Text „Landtagsneubau – In der Mitte angekommen“ (PNN, 1.2.2007). So wünscht man sich seriöse Berichterstattung. Leider wird der positive Eindruck durch die Artikel auf Seite 9, vom selben Tag, stark beeinträchtigt. Ich meine die Überschrift: „Mehr als 60 Jahre Brache: Ein Loch als Herz der Stadt“. Viele Jahre lang war der Platz eine gepflegte Grünanlage und keinesfalls „ein Loch als Herz der Stadt“ und schon gar keine „Brache“. Die Unterzeile „Die SED ließ Knobelsdorffs Prachtbau sprengen, ...“ und das Foto von 1900 vermitteln den Touristen eine völlig falsche Vorstellung vom wahren Sachverhalt. Nicht ein „Prachtbau“ wurde gesprengt, sondern eine unansehnliche Ruine. Natürlich wird die SED dafür verantwortlich gemacht. Es wird fast nie erwähnt, dass auch im Westen nach dem Krieg viele kulturhistorisch wertvolle Gebäude entfernt und durch gesichtslose Neubauten ersetzt wurden. Welche Partei ist eigentlich dafür verantwortlich? Es wird auch gern übersehen, dass es Ende der 80er Jahre bereits einen Versuch gab, den Platz durch ein architektonisch wertvolles Theater zu beleben. Der Beschluss zum Abriss hatte allein ideologische Gründe, wurde aber mit den bereits fertiggestellten Betonklötzen gerechtfertigt. Schließlich noch ein Wort an alle selbst ernannten Historiker, die sich für die „Wiederherstellung der historischen Mitte“ einsetzen: Wann fängt für diese die Geschichte an? Der Alte Markt ist Potsdams älteste Siedlungsstätte. Dieser historisch einmalige Ort wird mit einem Neubau unwiederbringlich zerstört. Natürlich möchte keiner den Urzustand mit unbefestigten Feldwegen und so weiter, aber doch ein Schloss, das mit dem Original in weit mehr übereinstimmt, als nur im Grundriss und in einigen Fassadenelementen.

Achim Kyburg, Ferch

Anteilige Finanzierung durch Sponsoren

An das Büro der Stadtverordneten-Versammlung, (an alle Fraktionen).

Sehr geehrte Damen und Herren, Lasst Euch die Chance, ein Stadtschloss in historischer Bauweise zu errichten, nicht entgehen. Ein begrüßenswerter Weg wäre eine anteilige Finanzierung durch Spenden. Dabei könnten, ähnlich wie die Geländerpfosten des Stadtkanals, an den Figuren, Ornamenten, Fenstern, Skulpturen, Fassaden und so weiter die Sponsoren namentlich genannt werden. Zeigt möglichst vielen Menschen das wunderschöne Bild des Knobelsdorffschen Stadtschlosses, besonders das Modell des Lübecker Architekten Werner Schmidt. Die Mehrheiten der Bürgerbefragung sowie viele Vorleistungen sprechen für den historischen Aufbau und sind nicht mehr zu negieren.

Dipl.-Ing. Hans-Joachim Dauber, Potsdam

„Eine Stadt kann mehrere

Tode sterben“

Als geborener Potsdamer, der seine unzerstörte Stadt und die Nachkriegszeit erlebte, will ich versuchen, das Dilemma zu ergründen. Auch Potsdam sank in Schutt und Asche in der Ausrufung des „Totalen Krieges“. Den weiterem Umgang mit ihr bestimmte die Nachkriegsgeschichte und der Bevölkerungsaustausch. Die gegensätzlichen Erfahrungen in der sowjetischen Besatzungs- und in den westlichen Zonen ließ große Teile der Bevölkerung ihren Wohnsitz wechseln. Vorrangig Flüchtlinge sahen ihr Weiterkommen in dem neuen Staat DDR. Viele gingen als neue Kader in die Hauptstadt der DDR und in die Bezirkshauptstadt Potsdam. Anders war es im Süden des Landes, wo es weniger verwandtschaftliche Beziehungen in den Westen und somit weniger Abwanderung gab. Durch Bomben beschädigte „Zentrale Landmarken“, wie das Stadtschloss wurden weggesprengt. Das alte Potsdam wurde durch politische Propaganda auch in den Köpfen gelöscht. Die geschilderten Effekte führten dazu, dass nach der Wende im Süden ein viel ausgeprägterer Lokalpatriotismus festzustellen war als bei uns. Auch wenn einige Potsdamer wieder in ihre Heimatstadt zurückgekehrt sind, ist heute noch der nach dem Krieg zugezogene Bevölkerungsanteil überwiegend. Da braucht sich niemand zu wundern, dass jene, die das alte Potsdam gar nicht kennen, das Stadtschloss nicht wieder sehen möchten.

Im Gegensatz dazu der Wiederaufbau zerstörter historischer Bausubstanz in Polen. Nach dem Krieg spendete das ganze polnische Volk für den Wiederaufbau des historischen Warschaus. 1964 sah ich die wiedererstandene Altstadt und auf dem großen Platz stand die Grundsteinlegung für das Schloss bevor. Eine solche Bereitschaft kann es in Potsdam so schnell nicht geben. Einigkeit gibt es zur Zeit nur in der Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Zustand. Für mich bleibt das Resümee: Es ist nichts verloren, so lange der Standort nicht mit einem geschichtslosen Gebäude verbaut wird. Wir mussten schon mal 40 Jahre warten, da können wir in dieser Frage auch Geduld haben – nur erleben würden wir es noch gerne.

Peter Ernst, geboren 1933 in Potsdam

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