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Lesermeinung: „Man sollte die Synagoge im Dorf lassen!“

Zu: „’Und das soll eine Synagoge sein?’ Angeregte Debatte auf Einladung des Minjan“, 25.

Stand:

Zu: „’Und das soll eine Synagoge sein?’ Angeregte Debatte auf Einladung des Minjan“, 25.3.2010

Ud Joffe belehrte zunächst ausführlich über die Vielfalt der jüdischen Orthodoxie und trug dann noch einmal seine Kritik an dem Entwurf der Architekten Haberland vor: Es habe falsche religiöse Vorgaben gegeben, der örtliche Rabbiner sei nicht einbezogen, und die Leute nicht ausreichend informiert worden. Der Synagogenraum sei zu klein, er dürfe nicht im Obergeschoss liegen und müsse ein Fenster haben; die vielen Räumen für das Gemeindezentrum seien nicht nötig, damit werde die innere Struktur „zerhackt“; die moderne Fassade lasse nicht erkennen, dass es sich um eine Synagoge handelt, diese müsse größer und repräsentativer sein. Ich teile diese Kritik nicht, weil die Voraussetzungen dafür nicht stimmen. Die Absicht, auf Initiative der jüdischen Gemeinde, eine Synagoge mit Gemeindezentrum für alle Potsdamer Juden zu bauen, war seit langem bekannt. Mit dem Vorstand der jüdischen Gemeinde der Stadt Potsdam wurde das Raumprogramm erarbeitet. Die gesetzestreue Gemeinde wollte sich daran nicht beteiligen. Die Beratung für die religiösen Vorgaben erfolgte maßgeblich durch den Berliner Rabbiner Ehrenberg, nachdem sich der örtliche Rabbiner Presman zunächst zurückgezogen hatte. Ich habe keine Zweifel, dass uns Rabbiner Ehrenberg, damals Vorsitzender der orthodoxen deutschen Rabbinerkonferenz, mit großer Erfahrung und Kompetenz richtig beraten hat. Nach der europaweiten Ausschreibung wurden die Wettbewerbsergebnisse im April 2009 im Kutschstall präsentiert, die Presse berichtete ausführlich mit großen Bildern und alle Potsdamer waren zwei Wochen lang eingeladen, sich die eingereichten Modelle und den Siegerentwurf der Architekten Haberland anzusehen. Auch Rabbiner Presman war dabei und hat danach bei vielen Gelegenheiten den Bau genau dieser Synagoge freudig begrüßt. Wieso er sie heute nicht mehr gut findet, ist mir nicht verständlich. Auch bei zwei Straßenfesten waren die Potsdamer eingeladen, sich zu informieren. Bis zur Intervention von Ud Joffe Ende 2009 gab es keine nennenswerte Kritik. Besonders erstaunlich ist für mich, dass die Synagoge mit 160 Plätzen zu klein sein soll. Es ist schon merkwürdig: Julius Schoeps meint, die jüdische Gemeinde werde wegen der hohen Überalterung so zusammenschmelzen, dass sich eine Synagoge nicht lohnt; Herr Joffe meint, sie sei für 800 Juden zu klein. Die eine Ansicht ist so falsch wie die andere. Man sollte die Synagoge im Dorf lassen, nämlich in Potsdam. 160 Plätze sind bei einer absehbar kleiner werdenden jüdischen Gemeinde auf jeden Fall ausreichend. Woher Ud Joffe zu den Mitgliedern der beiden jüdischen Gemeinden weitere 400 nicht organisierte Juden zusammenzählt, ist mir schleierhaft. Dass die Synagoge im Obergeschoss liegt, ist überhaupt kein Problem, denn eine „Schabbat-Schaltung“ - auch unter orthodoxen Juden längst anerkannt - macht es möglich, an Feiertagen den Aufzug zu benutzen, ohne „Feuer“ zu machen. Die Synagoge mit einem Gemeindezentrum zu verbinden, entspricht heute dem Bedarf in den jüdischen Gemeinden und findet sich in fast allen neu gebauten Synagogen. Bleibt die Fassade, das moderne Erscheinungsbild. Die erfahrenen Architekten des Preisgerichts, die diese Synagoge ausgewählt haben, haben sehr wohl die Geschichte und Struktur der Potsdamer Altstadt in ihr Überlegungen mit einbezogen. Die Proportionen zu der Umgebung stimmen und die moderne Fassade wurde akzeptiert, weil sie erkennen lässt, dass hier ein bedeutendes Gebäude steht, mit hohem Portal und ungewöhnlicher Fassadenstruktur. Bei genauerem Hinsehen, eine Synagoge, ein lebendiges Gotteshaus als Mittelpunkt jüdischen Lebens, in dem es sich kulturell und religiös entfalten kann, zurückhaltend und würdig. Über Schönheit lässt sich streiten. Ich finde es schön!

Dr. Hans-Jürgen Schulze-Eggert, Vorstandsmitglied im Bauverein für eine neue Synagoge und Vorsitzender der Potsdamer Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit

Zu: „Und das soll eine Synagoge sein?“, 23.3.2010

Mit seriöser Berichterstattung hat der Beitrag nichts zu tun. Ich weiß nicht, welche Veranstaltung der Autor besucht hat. Auf der des Minjan kann er nicht

gewesen sein. Er erweckt den Eindruck, als hätten sich ähnliche Szenen abgespielt wie zuvor bei der Präsentation

des Bauvereins. Ich habe keine Banner, keine Flugblätter gesehen, habe nur

sehr wenig Polemik erlebt an diesem Abend. Der Angriff gegen Frau Röske, die Mitglied des Bauvereins ist und

der Jüdischen Gemeinde angehört,

ist falsch und geschmacklos. Sie

hat als Gemeindemitglied wohl alles Recht der Welt, ihre Meinung, die

in keiner Weise despektierlich oder gar persönlich war, in dieser Debatte

zu äußern. Vielmehr haben sich

alle Beteiligten um eine sachliche Debatte bemüht, nachdem sie eine

Geduld strapazierende mehr als 90-minütige Einführung gehört hatten. Alle Beteiligte meint in diesem Fall etwa 60 Personen von denen keiner neutral war. Wenigsten hier standen die Anführungszeichen des Journalisten richtig. Richtig ist auch, dass die Mehrheit die Fassade ablehnt. Ihr gutes Recht. Falsch und ungeheuerlich ist allerdings der immer wieder vorgetragene Vorwurf der „Täuschung der Öffentlichkeit“, der sich unreflektiert in der Darstellung wiederfindet. Rico Bigelmann, Potsdam-Babelsberg

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