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Lesermeinung: Nachträglicher Glückwunsch für Kaminski und fehlende Entschuldigung von Jakobs

„Die lügen wie gedruckt“, 24.1.

Stand:

„Die lügen wie gedruckt“, 24.1. 2009

Herzlichen Glückwunsch an Herrn Kaminski für die zu Recht erfolgte Ehrung. Und: eine persönliche Entschuldigung von mir, für so manchen schmählich-abfälligen Gedanken angesichts der Sündenfälle in seiner Zeit als Baustadtrat. Jetzt wird mir als Zugezogener aus dem Westen klar, warum sich das damalige Abwahlverfahren so lange hinzog, warum man sich in Potsdam so schwer tat, zu sagen: „Du hast Mist gebaut, nimm Deinen Hut!“. Ich kannte die Wendezeitgeschichte nicht. Menschen sind vielschichtig: Hervorragend manchmal in einem, fehl am Platze in anderem. Dass Macht bei Menschen das eigene Rechtsbewusstsein überdecken, dass Macht korrumpieren kann, ist ein Allgemeinplatz, das meist weniger dem Menschen an der Macht zum Vorwurf zu machen ist, als seinen Freunden, die ihn nicht wach genug begleiteten. In der Demokratie sind wir alle verantwortlich für diejenigen, die wir nach vorne schicken.

Und gerade deshalb bewegt mich diese Kaminski-Ehrung noch aus einem anderen Grund: Es fällt auf, dass beim Neujahrsempfang des Oberbürgermeisters ein mutiger Regelverstoß aus dem Jahre 1989 geehrt wird, während dieselbe Tat, das unautorisierte Ergreifen des Mikrofons durch Jugendliche in der Stadtverordnetenversammlung, vom Oberbürgermeister mit einem Nazivergleich als faschistisch diffamiert wurde. Regelverstoß ist Regelverstoß. Ich kann aber nicht nachvollziehen, warum Herr Jakobs nicht in der Lage ist, auf diesen hilflosen Versuch der Jugendlichen angesichts zusammenbrechender, selbstbestimmter Jugendkultur in Potsdam, angemessen zu reagieren. Ziel der Nazis war die Machtübernahme. Die Jugendlichen hingegen wollten Verständnis für ihre Sicht erreichen. Sie sahen ihr Anliegen bei der Verwaltung nicht gut aufgehoben und wandten sich provozierend an die gewählten Bürgervertreter. Das ist eine gänzlich andere Motivation als die der Nazis. Eine öffentliche Entschuldigung für den Nazivergleich, der „linke“ Jugendliche noch mehr provozierte und deshalb für die ganze Stadt alles andere als konstruktiv lösungsorientiert war, steht nach wie vor an. Hier sind Herrn Jakobs Freunde gefordert zu sagen: „Erkenne das, oder nimm Deinen Hut!“.

Horst Furtner, Potsdam

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