Lesermeinung: Neues Schwimmbad: „Es ist zum Heulen!“
Zu: „Schwimmbad wird teurer“, 10.7.
Stand:
Zu: „Schwimmbad wird teurer“, 10.7. und: „Schon wieder mehr“, 11.7.
Bürgerbeteiligung wird in dieser Stadt ja groß geschrieben, heißt es. Aber wie wird sie umgesetzt? Das Beispiel „Standortfrage zum Schwimmbadneubau“ lässt Zweifel aufkommen. In einem Workshop mit großem finanziellen Aufwand (zirka 140.000 Euro) und mehr als 60 Stunden Arbeit von rund 100 engagierten Bürgern wurde vor 18 Monaten um eine Entscheidungshilfe zur Standortfrage gerungen. Anschließend gab es noch eine Bürgerbefragung. Die wichtigste der Sine-qua-non-Bedingungen war die Kostenobergrenze von 23 Millionen Euro. Kritiker des Brauhausberges haben frühzeitig auf die zwingend einzukalkulierenden hohen Kosten der Parkräume und des verkehrssicheren Umbaus der Kreuzung zwischen Hauptbahnhof und Brauhausberg hingewiesen, weit höhere Kosten, als für den Volkspark nötig wären. Das wurde von Herrn Scharfenberg und von Herrn Hintze bagatellisiert, die Warnungen wurden nicht gehört. Wenn Herr Scharfenberg heute bei Mehrkosten von 7 Millionen Euro (= 33 Prozent) davon spricht, man dürfe „nicht päpstlicher sein als der Papst“ und SPD und Linke diese Summe „völlig entspannt sehen“, muss sich der verantwortungsbewusste Bürger angesichts der prekären Finanzlage der Stadt schon verwundert die Augen reiben. Wo soll das Geld herkommen? Die am Workshop beteiligten Bürger kommen sich „verschaukelt“ vor, denn diese Entwicklung zeigt, dass Workshop und Bürgerbefragung reine politische Augenwischerei waren, ein Placebo zur Beruhigung der Bürger oder eine Alibifunktion für das Rathaus. Die Standortfrage und die Ausschreibung gehören unter diesen Umständen zwingend erneut auf den Tisch!
Henning Bess, Potsdam
Keine Form, keine Farbe, keine Idee, kein Gefühl
Es ist zum Heulen! Gibt es denn in dieser Stadt keine Chance, einen angemessenen Architektur-Entwurf zu entwickeln, der mal nicht aus einer weißen kahlen Kiste besteht? Überall stehen weiße Klötzer im Stil vorstädtischer Industriegebiete herum, mal sind es Lager und Hallen für Logistik- und Transportunternehmen, oft Kaufhallen und Mega-Center. Ab und zu können es aber auch Schulen, Wohnungen oder Synagogen sein. Schöne neue Welt!
Der erste Entwurf zielt in diese Richtung. Grauenhaft ist die derzeitige Masche, Fenster unlogisch und beliebig auf der Wand zu verteilen. Dieser „Flimmerkistenstil“ soll „locker“ und „originell“ sein, doch die ästhetische Kümmerlichkeit nervt. Der zweite Entwurf hat die schicke Variante zu bieten. Entwurf 3 erinnert in seiner endlos monotonen Reihung etwas an Prora.
Eine neue Schwimmhalle am Brauhausberg sollte bei aller Funktionalität ihre einmalige und typische Form doch wohl aus der naheliegenden Assoziation mit dem Element Wasser oder zumindest durch die Hanglage mit der umgebenden Natur erhalten. Der Niemeyer-Entwurf ließ eine diesbezügliche Ahnung zu und erhielt nicht umsonst spontan so viel erZustimmung. Selbst die DDR-Schwimmhalle bietet mit dem geschwungenen Dach und den ehemaligen Kaskaden am Hang einen emotional ansprechenden Zugang im Gesamteindruck.
Wozu nun die Härte im Siegerentwurf? Der Blick zum Hang wird „abgeblockt“ statt aufgewertet. Wie kann die Jury so entscheiden? Wie sieht der Blick vom Brauhausberg auf diese armselige graue Dachpappe aus? Wie wird der Klotz im Winter, bei grauem Himmel und mit kahlen Bäumen, wirken? Eine warme Farbigkeit wäre der mindeste Anspruch in einem so wichtigen städtischen Naturraum gewesen.
Es gibt kein überzeugendes Gesamtkonzept, was die Verantwortung für die historische Substanz der Stadt und ihren Naturraum im ganzheitlichen Zusammenwirken mit den aktuellen Erfordernissen betrifft. Es scheint auch so gewollt: bestehende Baufelder in schneller Hau-Ruck-Manier nach dem jeweiligen Marktwert „verscherbeln“ zu können. Historische und ästhetische Zusammenhänge müssen hierbei nicht beachtet werden. Es ist lästig, mit vielen verschiedenen Fachleuten und kompetenten Bürgern behutsam und intensiv über langfristige Projekte nachzudenken. Folgerichtig muss es immer wieder Proteste von verantwortungsvollen Bürgern gegen diese Art von Schnellschüssen. Die Idee einer überzeugenden „Potsdamer Moderne“ ist noch nicht zu erkennen. Doch die Architekten sind kaum schuld, sie tun das, was der Bauherr anweist. Wenn die Stadt der öffentliche Bauherr ist, liegt hier die primäre Verantwortung. Funktionalität und Finanzierbarkeit stehen außer Frage, aber die öden Ergebnisse wie das Bahnhofcenter, die Blöcke in der Breiten Straße oder das neue Rehabilitationszentrum in der Gutenbergstraße in seiner kalten Pracht sprechen mit ihrer Trübseligkeit ihre eigene emotionale Sprache.
Dieser Zustand ist wenig begründbar im Geld, sondern im Mangel am Wollen und an Ideen. Die Orientierung auf eine rein technokratische Kistenform, wie in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, ist wohl kaum der Weisheit letzter Schluss. Zum guten Lebensgefühl der Menschen einer jeden Generation zählt eben auch ein gewisses Maß an zeitloser Schönheit und Proportionen nach menschlichem Maß, mit anderen Worten: Gefühl.
Olaf Thiede (Bürgerinitiative „Mitteschön“), Potsdam
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