Lesermeinung: Nur der Geschäftsinhaber soll am Sonntag verkaufen dürfen
Zu: „Reeperbahn-Lex für Holländisches Viertel“ (PNN 03.03.
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Zu: „Reeperbahn-Lex für Holländisches Viertel“ (PNN 03.03.)
Mit Interesse verfolge ich seit einigen Wochen die Diskussion über die Durchsetzung des Ladenschlussgesetzes im Holländer Viertel. Meiner Meinung nach war das Vorgehen der Stadt schon lange überfällig. Ich habe mit Sicherheit kein Problem dabei, wenn Waren ausschließlich für touristischen Bedarf verkauft werden, aber warum auch Kleidung, Brillen, Möbel usw.? Für mich ist das eine Bevorteilung dieses Standortes gegenüber anderen Gewerbetreibenden. Ich selber bin in leitender Funktion im Facheinzelhandel und wehre mich seit Jahren regelmäßig gegen Sonntagsöffnungen. Zum einen ist der Umsatz mehr als mäßig, die Personalkosten an diesen Tagen doppelt so hoch und die Mitarbeiter werden aus ihrem Familienleben gerissen. Wenn das Holländer Viertel öffnen darf, wird dann nicht kurz über lang auch das Sterncenter auf die Idee kommen, dass es an einer „touristischen Einfallstrasse“ liegt (irgend eine Begründung wird sich wohl finden lassen) und dort unbedingt sonntags geöffnet werden muss? Das ist nicht mal an den Haaren herbeigezogen, das Centermanagment polemisiert schon lange, dass es ja nur sechs Sonntage öffnen darf und Berlin gegenüber so benachteiligt ist. Eine gangbare Lösung wäre die Alternative, dass nur der Geschäftsinhaber persönlich hinter dem Tresen stehen darf. So würde sich der Umsatz im Holländer Viertel auf einem niedrigen Niveau halten, damit der restliche Einzelhandel nicht gefährdet wird, die Mitarbeiter würden nicht belastet und das Sterncenter käme gar nicht erst auf die Idee, auch öffnen zu wollen.
Werner Helge, Werder (Havel)
Vorbild USA
Ich habe 16 Jahre in den USA gewohnt und dort erlebt, dass der sonntägliche Kirchgang durchaus vereinbar war mit entspanntem Shopping am Nachmittag. Die jeweiligen Predigtthemen wurden in vielen Familien am Mittagstisch erörtert. Eine Bevormundung der Bevölkerung seitens der Berliner sowie Brandenburger Kirchenobrigkeit mit gefälliger Unterstützung unserer Regierung zu der Frage, ob Geschäfte im Holländerviertel sonntags öffnen dürfen, empfinde ich als zutiefst fragwürdig. Ich selbst war in den USA unter anderem im Verkauf tätig, was eben Sonntagsarbeit einschloss. Dies wurde umschichtig gehandhabt, so dass auch ich an manchem Sonntag ohne Eile und Stress mit meinen vier Kindern Schulbedarf und Kleidung kaufen konnte. Und ja, auch wir besuchten die Gottesdienste in unserer Kirche am Vormittag. Abschließend möchte ich erwähnen, dass ich mir im Februar 2011 eine Woche Auszeit in einer hübschen Ferienwohnung direkt im Holländerviertel gegönnt habe. Das Viertel lebte von Montag bis Samstag und erstarb am Sonntag. Ob diese Ödnis attraktiv für Tourismus und einheimische Bewohner ist, bezweifle ich. Vielleicht gibt es doch noch Raum für einen etwas erweiterten Denkprozess hinsichtlich des verkaufsoffenen Sonntags?
Angela Oesterreich
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